Bilanz Festival Theaterformen 2023

Die diesjährige Ausgabe des Festivals Theaterformen in Hannover ist vorüber und wir schauen zurück auf ein Festival, das Wellen geschlagen hat: Auf den Bühnen des Staatstheaters waren elf Tage lang Theater, Tanz und Performances zu erleben. Künstlerische Interventionen, Gespräche, Silent Discos und Freibad-Feeling gab es im temporär errichteten Festivalzentrum auf der gesperrten Prinzenstraße vor dem Schauspielhaus.

Etwa 120 Künstler*innen aus 10 Ländern haben sich 2023 für das Festival auf den Weg nach Hannover gemacht und sich mit kleineren und größeren Performances den drängenden Fragen unserer Gegenwart rund um die Fragilität von Körpern und Identitäten und den Umgang mit Krieg und Gewalt gestellt – und um temporäre solidarische Gemeinschaften zu entwerfen. Bei den rund 45 Veranstaltungen waren rund 6.100 Besucher*innen zu Gast.

Darüber freut sich auch Festivalleiterin Anna Mülter und resümiert:
„Das Publikum hat sich spürbar von den gezeigten Stücken und der Festivalatmosphäre begeistern und inspirieren lassen: Wir haben sehr positives Feedback bekommen und viele Vorstellungen waren ausverkauft. Das Festivalzentrum auf der Prinzenstraße hat tatsächlich Wellen vom Theater in die Stadt geschlagen: Hier kamen ganz unterschiedliche Menschen und Künstler*innen zusammen, um gemeinsam zu feiern und sich auszutauschen – erstmals auch Taube und hörende Besucher*innen miteinander. Das Schauspielhaus hat sich auf neue Weise zur Stadt geöffnet und das Kassenfoyer ist zu einem neuen Treffpunkt, Arbeitsort und sogar zum Club geworden. Hier hat sich das enorme Potenzial dieses Ortes gezeigt und ich bin gespannt darauf, wie er sich zukünftig weiter transformieren wird.“


A Sign For The Future – Schwerpunkt auf Taube Kultur
2023 stellte das Festival Theaterformen erstmals die Kultur Tauber Menschen in den Fokus und arbeitete dafür unter anderem mit Künstler*in Rita Mazza als Taube*r Gastkurator*in zusammen. Zu sehen waren Performances der Tauben Künstler*innen Chisato Minamimura (Scored in Silence), Anna Seymour (SPIN) und Daniel Kotowski (Feeler), die neue künstlerische Impulse für den Umgang mit Sprache, Körper, neuen Technologien und Gemeinschaft gesetzt haben.
Das britische Kollektiv The DisOrdinary Architecture Project entwarf unter der Leitung des Tauben Architekten Richard Dougherty ein Festivalzentrum auf der Prinzenstraße, das geprägt war von einer Tauben architektonischen Ästhetik.
Acht Taube Künstler*innen aus Europa forschten in einem einwöchigen Sign Language Art Laboratory, dessen Ergebnisse sie in einem Open Studio am letzten Festivalwochenende präsentierten. Ebenso ergänzten zwei Taube Mitarbeiter*innen das hörende Festivalteam, das in Vorbereitung darauf einen Grundkurs in Deutscher Gebärdensprache absolvierte. 
Dem hörenden und Tauben Publikum, das sich im Festival begegnete, standen im Festivalzentrum und an den Spielstätten DGS-Dolmetscher*innen To Go zur Verfügung, die spontan in Anspruch genommen werden konnten. 

Zwei gemeinsame Produktionen mit Schauspiel und Staatsoper
Zum vielfältigen Festivalprogramm gehörten weiterhin zwei Uraufführungen, die in Koproduktion mit Schauspiel Hannover und Staatsoper Hannover entstanden: Was ihr nicht sehen könnt – Eine Vampirgeschichte von Manuela Infante (Schauspiel) und ZER-BRECH-LICH von Alessandro Schiattarella (Oper) kehren in der Spielzeit 2023/24 in die Spielpläne der Staatstheater zurück.

Festivalzentrum von The DisOrdinary Architecture
Für die Gestaltung des Festivalzentrums konnte zum zweiten Mal in Folge das britische Architekturkollektiv The DisOrdinary Architecture gewonnen werden. Unter dem Motto MAKING WAVES entwarf das Kollektiv unter der Leitung des Tauben Architekten Richard Dougherty ein Festivalzentrum nach den Prinzipien von „Deaf Space“ und „Disability Pride“.
Auf der Prinzenstraße vor dem Schauspielhaus entstand eine temporäre Plattform für Performances und Begegnungen, für Partys und Gespräche. Die Tauben Architekturexperten Richard Dougherty und Chris Laing setzen die geschwungene Form der Welle bewusst ins Zentrum, um die performative und soziale Dynamik der Gebärdensprachen und der Tauben Kultur zum Ausdruck zu bringen. Damit schufen sie ein außergewöhnliches Festivalzentrum als künstlerischen und sozialen Treffpunkt in Hannover, geprägt von einer Tauben architektonischen Ästhetik. 
Neben einem kleinen Pool, in dem echte Wellen wogten, gab es Soundmassagen auf der Bass-Plattform, und vibrierende Bassgürtel verstärkten das Musikerlebnis bei den Silent Discos. 
Der Taube Künstler Daniel Kotowski war als Feeler unter den Besucher*innen unterwegs, um mit ihnen über Gefühle zu kommunizieren und Golschan Ahmad Haschemi und Verena Meyer gingen in ihren Toolbox-Gesprächen den Gefühlen von Fragilität und Un/Sicherheit auf den Grund. Und schließlich brachte das chilenische Kollektiv LASTESIS zusammen mit Hannoveraner*innen das Festivalzentrum in einer Manifestation von queer-feministischem Widerstand mit der Performance Resistencia zum Beben.
 

Die nächste Ausgabe des Festivals Theaterformen findet vom 13. bis zum 23. Juni 2024 in Braunschweig statt.