Archiv
Im Archiv finden sich Überblickstexte zu den jeweiligen Ausgaben und Links zu den Websites vergangener Editionen. Hier stellen wir auch die Reader 'Presence of the Colonial Past' aus dem Jahr 2010, 'Shared Spaces' aus 2013 und die Dokumentation 'Postkoloniale Verstrickungen in Theater, Tanz und Performance' aus 2018 zum Download bereit. Die abrufbaren Veröffentlichungen dokumentieren das Rahmenprogramm der Schwerpunkte, formulieren Absichten und Ziele und skizzieren Koproduktionen.
2023
Festival Theaterformen 2023 (Hannover)
2023 fand das Festival Theaterformen vom 22. Juni bis zum 2. Juli in Hannover statt. Auf den Bühnen des Staatstheaters waren elf Tage lang Theater, Tanz und Performances zu erleben. Künstlerische Interventionen, Gespräche, Silent Discos und Freibad-Feeling gab es im temporär errichteten Festivalzentrum auf der gesperrten Prinzenstraße vor dem Schauspielhaus.
Etwa 120 Künstler*innen aus 10 Ländern haben sich in diesem Jahr für das Festival auf den Weg nach Hannover gemacht und sich mit kleineren und größeren Performances den drängenden Fragen unserer Gegenwart rund um die Fragilität von Körpern und Identitäten und den Umgang mit Krieg und Gewalt gestellt – und um temporäre solidarische Gemeinschaften zu entwerfen. Bei den rund 45 Veranstaltungen waren rund 6.100 Besucher*innen zu Gast.
Darüber freut sich auch Festivalleiterin Anna Mülter und resümiert:
„Das Publikum hat sich spürbar von den gezeigten Stücken und der Festivalatmosphäre begeistern und inspirieren lassen: Wir haben sehr positives Feedback bekommen und viele Vorstellungen waren ausverkauft. Das Festivalzentrum auf der Prinzenstraße hat tatsächlich Wellen vom Theater in die Stadt geschlagen: Hier kamen ganz unterschiedliche Menschen und Künstler*innen zusammen, um gemeinsam zu feiern und sich auszutauschen – erstmals auch Taube und hörende Besucher*innen miteinander. Das Schauspielhaus hat sich auf neue Weise zur Stadt geöffnet und das Kassenfoyer ist zu einem neuen Treffpunkt, Arbeitsort und sogar zum Club geworden. Hier hat sich das enorme Potenzial dieses Ortes gezeigt und ich bin gespannt darauf, wie er sich zukünftig weiter transformieren wird.“
A Sign For The Future – Schwerpunkt auf Taube Kultur
2023 stellte das Festival Theaterformen erstmals die Kultur Tauber Menschen in den Fokus und arbeitete dafür unter anderem mit Künstler*in Rita Mazza als Taube*r Gastkurator*in zusammen. Zu sehen waren Performances der Tauben Künstler*innen Chisato Minamimura (Scored in Silence), Anna Seymour (SPIN) und Daniel Kotowski (Feeler), die neue künstlerische Impulse für den Umgang mit Sprache, Körper, neuen Technologien und Gemeinschaft gesetzt haben.
Unter dem Motto MAKING WAVES entwarf das britische Kollektiv The DisOrdinary Architecture Project unter der Leitung des Tauben Architekten Richard Dougherty ein Festivalzentrum auf der Prinzenstraße, das geprägt war von einer Tauben architektonischen Ästhetik.
Acht Taube Künstler*innen aus Europa forschten in einem einwöchigen Sign Language Art Laboratory, dessen Ergebnisse sie in einem Open Studio am letzten Festivalwochenende präsentierten. Ebenso ergänzten zwei Taube Mitarbeiter*innen das hörende Festivalteam, das in Vorbereitung darauf einen Grundkurs in Deutscher Gebärdensprache absolvierte.
Dem hörenden und Tauben Publikum, das sich im Festival begegnete, standen im Festivalzentrum und an den Spielstätten DGS-Dolmetscher*innen To Go zur Verfügung, die spontan in Anspruch genommen werden konnten.
Zwei gemeinsame Produktionen mit Schauspiel und Staatsoper
Zum vielfältigen Festivalprogramm gehörten weiterhin zwei Uraufführungen, die in Koproduktion mit Schauspiel Hannover und Staatsoper Hannover entstanden: Was ihr nicht sehen könnt – Eine Vampirgeschichte von Manuela Infante (Schauspiel) und ZER-BRECH-LICH von Alessandro Schiattarella (Oper) kehren in der Spielzeit 2023/24 in die Spielpläne der Staatstheater zurück.
Festivalzentrum von The DisOrdinary Architecture
Für die Gestaltung des Festivalzentrums konnte zum zweiten Mal in Folge das britische Architekturkollektiv The DisOrdinary Architecture gewonnen werden. Es entwarf unter der Leitung des Tauben Architekten Richard Dougherty ein Festivalzentrum nach den Prinzipien von „Deaf Space“ und „Disability Pride“.
Auf der Prinzenstraße vor dem Schauspielhaus entstand eine temporäre Plattform für Performances und Begegnungen, für Partys und Gespräche. Die Tauben Architekturexperten Richard Dougherty und Chris Laing setzen die geschwungene Form der Welle bewusst ins Zentrum, um die performative und soziale Dynamik der Gebärdensprachen und der Tauben Kultur zum Ausdruck zu bringen. Damit schufen sie ein außergewöhnliches Festivalzentrum als künstlerischen und sozialen Treffpunkt in Hannover, geprägt von einer Tauben architektonischen Ästhetik.
Neben einem kleinen Pool, in dem echte Wellen wogten, gab es Soundmassagen auf der Bass-Plattform, und vibrierende Bassgürtel verstärkten das Musikerlebnis bei den Silent Discos.
Der Taube Künstler Daniel Kotowski war als Feeler unter den Besucher*innen unterwegs, um mit ihnen über Gefühle zu kommunizieren und Golschan Ahmad Haschemi und Verena Meyer gingen in ihren Toolbox-Gesprächen den Gefühlen von Fragilität und Un/Sicherheit auf den Grund. Und schließlich brachte das chilenische Kollektiv LASTESIS zusammen mit Hannoveraner*innen das Festivalzentrum in einer Manifestation von queer-feministischem Widerstand mit der Performance Resistencia zum Beben.
Die nächste Ausgabe des Festivals Theaterformen findet vom 13. bis zum 23. Juni 2024 in Braunschweig statt.
Künstlerische Leitung: Anna Mülter
Intendanz Schauspiel Hannover: Sonja Anders
Programm 2023 (PDF, nicht barrierefrei)
Website 2023
2022
Festival Theaterformen 2022 (Braunschweig)
Die zweite Ausgabe des Festivals Theaterformen unter der künstlerischen Leitung von Anna Mülter fand vom 30. Juni bis 10. Juli 2022 in Braunschweig statt. Zum Festivalprogramm 2022, das auf den Bühnen des Staatstheaters Braunschweig, im LOT-Theater und rund um den Herzogin-Anna-Amalia-Platz stattfand, gehörten 19 Produktionen, darunter zwei Uraufführungen.
Insgesamt 150 Künstler*innen aus 12 Ländern sind für das Festival zu einer „Zusammenkunft von Kunst und Publikum in einer besseren Welt“ nach Braunschweig gereist. Die rund 50 verschiedenen Veranstaltungen aus Theater- und Tanzarbeiten, Performances, Gesprächen, Kunstinstallationen und Partys, die in den Häusern des Staatstheaters, im LOT-Theater und im Festivalzentrum auf dem Herzogin-Anna-Amalia-Platz gezeigt und gefeiert wurden, haben rund 5.000 Besucher*innen besucht.
Die künstlerische Leiterin Anna Mülter freut sich über den Verlauf ihrer ersten Braunschweiger Festivalausgabe: „Zusammen mit dem Braunschweiger Publikum und den angereisten internationalen Künstler*innen haben wir endlich wieder das Theater in all seinen Formen zusammen gefeiert. Mit großer Freude und Offenheit hat sich das Publikum mitreißen und herausfordern lassen. Mit dem Festivalzentrum auf dem Herzogin-Anna-Amalia-Platz haben wir das Festival mitten in die Stadt gebracht. Ob zur Mittagspause oder bei der Silent Disco: Es war, als ob die Braunschweiger*innen auf ein solches Angebot an diesem Ort schon lange gewartet hätten.“
Festivalzentrum von The DisOrdinary Architecture
Das Festivalzentrum wurde erdacht und konstruiert von dem britischen Architekt*innenkollektiv The DisOrdinary Architecture und den Tauben Architekturexperten Richard Dougherty und Chris Laing. Die temporäre Konstruktion auf dem Herzogin-Anna-Amalia-Platz hinter dem Kleinen Haus lud mit einer Bar mit Speisen und Getränken, einem Dancefloor für die Silent Discos und Kunstinstallationen zum Verweilen ein und fand großen Anklang bei Publikum, Künstler*innen und Passant*innen.
Das Design leitete sich ab aus der Gehörlosenkultur und Gebärdensprache: Die kreisförmigen Anordnungen, die bei der Zusammenkunft von Tauben Menschen entstehen, wurden im Design zu einer großen Lichtung, die den Raum öffnete für die Vielfalt der Menschen und ihrer Lebensrealitäten. Mit großen Aufklebern auf dem Boden, auf denen Slogans von behinderten Aktivist*innen standen, wurde zudem auf die baulichen Gegebenheiten des Platzes hingewiesen, die es Menschen mit Kinderwägen, Rollstühlen oder Langstöcken tagtäglich erschweren, den Platz zu überqueren.
Kunstinstallationen Indigener Künstler*innen
Bereichert wurde das Festivalzentrum von zwei Kunstinstallationen Indigener Künstler*innen, die auch schon bei der Ausgabe 2021 in Hannover am Stadtlabor beteiligt waren:
Denilson Baniwa verband mit Baniwa Botany die Idee von Botanik und Metamorphose mittels traditioneller Baniwa-Zeichnungen von Blumen, Tieren und Pflanzen in verschiedenen Lebensphasen. Abends nach Sonnenuntergang wurden die Projektionen dieser Zeichnungen an die Fassade des Kleinen Hauses gestrahlt.
Naine Terena dokumentierte mit I am a Tree! die Pflanzenwelt auf visuelle Weise. Zentrales Motiv waren Bäume und Sträucher in Südafrika, Brasilien und dem Prinz-Albrecht-Park in Braunschweig. Mittels Bildbearbeitungsprogrammen entstand ein fotografisches Essay, das auf verschiedenen Materialien ausgestellt wurde und während des gesamten Festivals in den Fenstern des Kleinen Hauses zu sehen war.
Erste Koproduktion mit dem JUNGEN! Staatstheater Braunschweig
2022 gab es erstmals eine gemeinsame Produktion zwischen dem Festival Theaterformen und dem JUNGEN! Staatstheater Braunschweig: Fünf junge Tänzer*innen aus Marokko, Mali und Palästina nehmen in SAWTIK. Deine Stimme – Your silence will not protect you des marokkanischen Choreografen Taoufiq Izeddiou die Erfahrungen junger Menschen aus zwei Jahren Pandemie in den Blick. SAWTIK wurde im Oktober 2022 wiederaufgeführt und ist in das Repertoire des Staatstheaters Braunschweig übergegangen.
A GATHERING IN A BETTER WORLD – Eine Zusammenkunft von Kunst und Publikum in einer besseren Welt
Mit dem GATHERING IN A BETTER WORLD hat das Festival Theaterformen vom 7. bis 10. Juli im Rahmen eines internationalen Projektes mit dem Goethe-Institut die Künstler*innen Jess Thom / Touretteshero, Edu O. und Alexandrina Hemsley / Yewande 103 eingeladen, mit einem vielfältigen Austausch- und Performanceprogramm die Expertise von Menschen mit Behinderung sichtbar zu machen und ihre Perspektiven in den Fokus zu stellen. Vier Tage lang nahmen die Künstler*innen drei Etagen des Großen Hauses für sich ein und öffneten es für Publikum jeden Alters.
A GATHERING IN A BETTER WOLRD war eine Kooperation mit dem Goethe-Institut: Dem Auftakt-Gathering in Braunschweig folgten und folgen in den nächsten Monaten weltweit weitere in Johannesburg, Montevideo, Shanghai und Kyoto.
Die nächste Festivalausgabe findet vom 22. Juni bis zum 2. Juli in Hannover statt.
Künstlerische Leitung: Anna Mülter
Generalintendantin Braunschweig: Dagmar Schlingmann
Programm 2022 (PDF, nicht barrierefrei)
Programm A GATHERING IN A BETTER WORLD (PDF, nicht barrierefrei)
Website 2022
2021
Festival Theaterformen 2021 (Hannover)
Das erste Festival Theaterformen unter der Leitung von Anna Mülter fand vom 8. bis zum 18. Juli 2021 in Hannover statt. Elf Stücke, von denen sieben Uraufführungen waren, standen auf dem Theaterprogramm.
Besondere Aufmerksamkeit zog das für elf Tage eingerichtete Stadtlabor auf der Raschplatzhochstraße auf sich: Unter dem Motto Klimagerechtigkeit beherbergte das Stadtlabor über 30 hannoversche Initiativen und Arbeiten von Künstler*innen mit Behinderung und indigenen Künstler*innen. Zu mehr als 80 Veranstaltungen – dazu gehörten Tanzworkshops, Vorträge, Performances und DJ-Sets – kamen über 8400 Besucher*innen unter Einhaltung der Hygieneregeln auf der Hochstraße über elf Festivaltage verteilt zusammen. Die Auslastung bei den Theateraufführungen lag bei 96 Prozent.
Über ihre erste Festivalausgabe sagt die gebürtige Hannoveranerin und künstlerische Leiterin Anna Mülter: „Diese Ausgabe der Theaterformen hat gezeigt, welche Kraft Imagination und Kreativität nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Stadtraum entfalten kann. Elf internationale Künstler*innen haben das Publikum mit ihren außergewöhnlichen Stücken inspiriert, irritiert und in den Bann gezogen. Das Stadtlabor hat nicht nur auf der Raschplatzhochstraße, sondern in der ganzen Stadt eine Diskussion um Klimagerechtigkeit und die gesellschaftliche Rolle der Kunst entzündet. Uns wurde große Neugier und Offenheit entgegengebracht, auch von Menschen, die ich sonst selten im Theater sehe. Ein großes Kompliment an die Stadt und ihre Bürger*innen, dass sie sich für dieses Experiment begeistert und es mit Leben gefüllt haben. Diese Unterbrechung des Alltags und des Stadtraum durch die visionäre architektonische Skulptur wird langfristige Auswirkungen haben. Hannover hat gezeigt, dass hier Außergewöhnliches möglich ist, und ich freue mich gemeinsam weiter die Zukunft dieser Stadt zu gestalten.“
“We are in this together, but we are not the same“
Ein Stadtlabor zu Klimagerechtigkeit auf der Raschplatzhochstraße
Zu den beteiligten Initiativen, die im Stadtlabor vertreten waren, gehörten beispielsweise Ökoststadt e.V. (Stadtteilspaziergang) und Prisma Queer Migrants e.V., die mit „Hungry for Justice“ eine Performance zeigten. Auch das Theaterprojekt der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen in Kooperation mit der Theaterwerkstatt Bethel gehörte zum Programm. Kooperationspartner*innen waren darüber hinaus das Snntg! Festival, das Fuchsbau Festival, Feinkost Lampe und das queer-feministische DJ-Kollektiv soft spot, die das Hochstraßen-Publikum zum Tanzen gebracht haben. Die Workshops Let’s Talk About Alliances von Arpana Berndt und Mine Wenzel und das World Café von IDiRa luden zum Austausch und zur Diskussion ein. Am 15. Juli war die Rechtsanwältin und Klimaaktivistin Yi Yi Prue aus Bangladesch zu Gast. Prue hatte 2020 eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde von insgesamt 15 betroffenen Personen aus Südasien gegen die deutsche Klimapolitik eingereicht. In ihrem Vortrag sprach sie über den Zusammenhang von Diskriminierung, Bildungs- und Gesundheitsnotstand sowie Erwerbslosigkeit in Bezug auf die Klimakrise.
Künstlerische Arbeiten kamen unter anderem von der behinderten Künstlerin Claire Cunningham und der Wissenschaftlerin für Disability Studies Prof. Julia Watts Belser. Zu ihrer Serie „We Run Like Rivers“ gehörten Audiostücke, die Ideen von Wildnis, Zeit und Energie aus einer behinderten Perspektive schilderten. In der Arbeit „Kipaé - Ancestral Weaving“ brachten wiederum Denilson Baniwa und Naine Terena Projektionen und Klangkunst überein. Zusammen mit Jamille Pinheiro Dias und Flávio Fêo war es ihr Anliegen, auf Umwelt- und soziale Probleme des brasilianischen Amazonasgebiet aufmerksam zu machen. Highlight war Baniwas Lichtinstallation, die den Fernsehturm mit amazonischen Pflanzen, Tieren und spirituellen Wesen bespielte.
Architektur von endboss
Die künstlerisch-architektonische Intervention auf der Hochstraße, deren Form und Funktion Bezug auf die Initiativen und Künstler*innen genommen hatte, wurde vom hannoverschen Stadtmacher*innen-Kollektiv endboss realisiert. Der verspiegelte Überbau zog nicht nur viele Blicke auf sich, sondern erzeugte mit der Fläche, die den Himmel, Bäume und die Umgebung spiegelte, ein symbolträchtiges Bild und einen Bruch in der Brücke am Raschplatz.
Bühnenprogramm
Eröffnet wurde das Festival am 8. Juli im Schauspielhaus mit einer Uraufführung der argentinischen Theatermacherin Lola Arias. „Ich bin nicht tot“ entstand gemeinsam mit hannoverschen Senior*innen und Pflegekräften. Als Kooperation mit dem Schauspiel Hannover ist „Ich bin nicht tot“ auch in der kommenden Spielzeit in Hannover zu sehen.
Künstlerische Leitung: Anna Mülter
Intendanz Schauspiel Hannover: Sonja Anders
Programm 2021 (PDF, nicht barrierefrei)
Website 2021
2020
Festival Theaterformen 2020 (Braunschweig)
Seinen 30. Geburtstag hat das Festival Theaterformen als pandemietaugliche Sonderausgabe unter dem Motto „A Sea Of Islands“ gefeiert: Sechs Kunstinstallationen, acht Online-Beiträge, Postsendungen zweier Theatergruppen, acht Konzerte, das Mitmach-Programm für Zuhause „Perform at Home“ für Schulklassen und Publikum und allabendliche Live-Talks mit den internationalen Theatermacher*innen waren vom 2. bis 12. Juli zu sehen.
1455 Besucher*innen kamen, um die Installationen in Braunschweig zu besuchen. Und auch das kostenfrei angebotene, eigens für die Sonderausgabe konzipierte Onlineprogramm kam gut an – insgesamt konnte das Festival zwischen dem 2. und 12. Juli 17.285 Seitenaufrufe auf seinem Vimeo-Kanal, auf dem die Onlinebeiträge hochgeladen waren, verbuchen.
Die pandemietaugliche Sonderausgabe 2020
Den Schwenk vom ursprünglich geplanten Festival, das in der Regel knapp zwei Jahre vorbereitet wird, hin zu einer pandemietauglichen Ausgabe machte Leiterin Martine Dennewald im April 2020 – mit Rückendeckung des Festivalbeirats. Vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie hatte das Festival Theaterformen geplant, 18 internationale Produktionen, die mit gleich vielen verschiedenen Inseln auf der ganzen Welt in Verbindung stehen, auf Braunschweigs Bühnen zu präsentieren.
Die Sonderausgabe des Festivals blieb den ursprünglich eingeladenen Künstler*innen und ihrer thematischen Setzung treu. Die Färöer-Inseln, die Komoren und die Karibik, Nauru, Timor und Sri Lanka: Inseln standen im Zentrum der Aufmerksamkeit – und mit ihnen politische Sonderfälle, geostrategische Brennpunkte und Projektionsflächen für ein besseres Leben. Angesichts der Corona-Krise hatte der Fokus auf die vermeintliche Peripherie, auf räumlich isolierte und dennoch global verbundene Orte, ungeahnte Aktualität erhalten.
Martine Dennewald kommentiert: „Für das Festivalteam und mich war diese Ausgabe ein besonderes Wagnis: Unter ungewissen Umständen haben wir uns mit unseren Künstler*innen an ein unerprobtes Festivalformat gewagt, neue künstlerische Projekte entwickelt und zur Uraufführung gebracht, unsere Kommunikationsstrategie und das Vermittlungsprogramm auf diese besonderen Zeiten ausgerichtet. Dank des Vertrauens, das Künstler*innen und Besucher*innen uns entgegengebracht haben, konnten wir das Maximum rausholen und online auch ein Publikum weit über Deutschlands Grenzen hinaus erreichen.“
Online-Formate
Zu den zuerst veröffentlichten Online-Arbeiten, die knapp 52 Stunden On Demand auf der Festivalwebsite gezeigt wurden, gehörte Ogutu Murayas The Ocean Will Always Try to Pull You In, das mit rund 2190 Seitenaufrufen an der Spitze der Klickzahlen liegt, gefolgt von salt. A Talk, dem vorproduzierten Gespräch zwischen der britischen Theatermacherin Selina Thompson und der US-amerikanischen Autorin Saidiya Hartman, mit 2042 Seitenaufrufen. Aus Indonesien waren zwei Beiträge von Choreografie-Star Eko Supriyanto zu sehen: Ibuibu Belu: Daily Life, ein Dokumentarstück über die Spuren, die das COVID-19-Virus in Belu hinterlassen hat, und Salt, ein Video-Tanzstück. Beide Seiten wurden laut Vimeo zusammengerechnet 1107 mal aufgerufen.
Einrichtung der Installationen in Braunschweig erforderten außergewöhnliche Arbeitsweisen
In Braunschweig hatte das Festival ab dem 2. Juli sechs Installationen für Publikum geöffnet. Die Arbeiten, die in den Spielstätten des Staatstheaters Braunschweig, im LOT-Theater, im Theaterpark und in der Braunschweiger Innenstadt zu sehen waren, haben besondere Arbeitsweisen verlangt: Das New Yorker Künstlerduo 600 HIGHWAYMEN hat seine Installation A Thousand Ways beispielsweise aus der Ferne konzipiert und dem Festivalteam über den Atlantik hinweg minutiöse Anweisungen für seine Umsetzung geschickt. Ebenso vertraute die ägyptische Theatermacherin Laila Soliman dem Festivalteam ihre neue Arbeit Wanaset Yodit zur erstmaligen Umsetzung an. Und auch die Sturm-Installation Thirst hat der lettische Künstler Voldemārs Johansons aus Riga per Fernsteuerung eingerichtet – eingeloggt auf einem Miniroboter konnte Johansons Bild und Ton seines Kunstwerks an den Bühnenraum anpassen. Marlene Monteiro Freitas (Cattivo), Laura Liz Gil Echenique (Los Sobrevidentes) und Lotte Lindner & Till Steinbrenner (Ihr) konnten hingegen, weil sie in Lissabon, auf Ibiza und in Hannover leben, anreisen, um ihre Arbeiten in Braunschweig einzurichten.
Künstlerische Leitung: Martine Dennewald
Generalintendanz Braunschweig: Dagmar Schlingmann
Programm 2020 (PDF, nicht barrierefrei)
Website 2020
2019
Festival Theaterformen 2019 (Hannover)
Untold Stories Disappear – erzählte Geschichten bleiben
14 Stücke aus zwölf Ländern präsentiert das Festival Theaterformen 2019 – davon drei Uraufführungen, zwei europäische und vier deutsche Erstaufführungen. Insgesamt stehen mehr als 200 Programmpunkte auf dem elftägigen Programm, das nur selten erzählten (Lebens-) Geschichten eine Bühne bietet. Rund die Hälfte der eingeladenen Regisseur*innen aus aller Welt reisen anlässlich dieser Ausgabe nicht mit fertigen Stücken an, sondern mit Projektideen, Textvorlagen, einem Interesse an Hannover und seinen Menschen. Die Theatermacher*innen haben teils Monate vor Ort verbracht, um zu recherchieren, Hannoveraner*innen zu treffen, um sich einzulassen auf die Geschichten, die sie vorgefunden haben, und um zu proben.
Rund 200 Menschen aus Hannover und Niedersachsen haben den Künstler*innen, Choreograf*innen und Regisseur*innen Lebensgeschichten, Erinnerungen und Gedanken anvertraut, die in ihre Theaterarbeiten einfließen. Dazu gehören die beiden Uraufführungen Die Geschwindigkeit des Lichts von Marco Canale, der Geschichten von rund 100 Mitwirkenden verschiedener Herkunft zu einer gemeinsamen deutschen Biografie inszeniert, und My Body Belongs to Me von Ruud Gielens und Laila Soliman, die mit einer in Niedersachsen ansässigen Gruppe sudanesischer Frauen das dokumentarische Theaterstück MBBTM entwickeln. My Body Belongs to Me ist eine Kampfansage an weibliche Genitalverstümmelung (FGM) und ein Plädoyer für weibliches Empowerment überall auf der Welt.
Martine Dennewald, künstlerische Leiterin des Festivals, resümiert: „Etwa 200 Bürger*innen Hannovers haben sich dieses Jahr als aktive Mitwirkende auf unsere Regisseur*innen und ihre Ideen eingelassen. Sie haben in Theaterstücken, Installationen und Gesprächen einem begeisterten Publikum die Vielfalt der Geschichten und Identitäten vorgestellt, aus denen sich diese Stadt zusammensetzt. Sie haben uns daran teilhaben lassen, womit sie hadern, was ihnen fehlt, wo sie sich wohl fühlen, und wie sie hier eine Heimat gefunden haben. Sie bildeten gemeinsam mit den Regisseur*innen und dem Festivalteam eine künstlerische Familie, und in ihren Bekanntenkreisen haben wir neue Zuschauer*innen gefunden, die uns hoffentlich in den nächsten Jahren weiter begleiten.“
Mit Lokis (Lukasz Twarkowski) und Odisseia (Cia Hiato), HATE (Laetitia Dosch), Untitled (Zoukak Theatre Company) und Cezary zieht in den Krieg (Cezary Tomaszewski) sind darüber hinaus ausgeprägte künstlerische Handschriften einer jungen Generation von internationalen Theatermacher*innen, deren Bildgewalt, szenischer Präsenz und Humor man sich kaum entziehen kann, zu Gast. Sie vervollständigen das Kaleidoskop der verschiedenen Theaterformen beim Festival und bringen auf ihre Weise unerhörte Geschichten auf die Bühne.
Das umfassende Rahmenprogramm mit Konzerten im Festivalzentrum, der Fachtagung „Performing Entangled Histories“, Stückeinführungen, Nachgesprächen und Vermittlungsprogrammen findet regen Anklang.
Künstlerische Leitung: Martine Dennewald
Intendanz Schauspiel Hannover: Lars-Ole Walburg
2018
Festival Theaterformen 2018 (Braunschweig)
Die 19. Festivalausgabe widmet sich aus unterschiedlichen Perspektiven den Folgen des Kolonialismus und seinen Auswirkungen auf kollektive sowie individuelle Schicksale der Gegenwart. Exemplarisch hierfür ist das Eröffnungsstück Saigon – ein Melodram, das zwei Zeitebenen miteinander verschaltet, um von zerrissenen Biografien zwischen Frankreich und seiner ehemaligen Kolonie Indochina zu erzählen. Über dieses Stück für die Große Bühne sind darüber hinaus Arbeiten zu sehen, die sich jenseits des Theaterraums ähnlichen Fragestellungen widmen: In Collisions von Lynette Wallworth werden die Zuschauer*innen per VR-Brille in die australische Wüste versetzt und erleben dort Atomwaffentests. In £¥€$ wird an Kasinotischen um die Weltwirtschaft und die Schicksale kreditunwürdiger Länder gezockt und Julian Hetzels Schuldfabrik in der Braunschweiger Burgpassage führt das Publikum hinter den Kulissen eines Seifenshops in den Handel mit Schuldgefühlen und Sühne ein. Fünf Theaterstücke entstehen in Koproduktion mit namhaften Partnern: Das Familiendrama Jungfrau, das auf der gleichnamigen preisgekrönten Kurzgeschichte von Mary Watson beruht, wird in Braunschweig uraufgeführt. Jade Bowers’ Adaption der Erzählung entsteht in Koproduktion mit dem National Arts Festival Grahamstown in Südafrika. Und aus dem Nachbarland Mosambik kommt das Tanzstück Theka, das am letzten Festivalsamstag im Großen Haus gezeigt wird und in Koproduktion mit dem Kinani-Festival Maputo entstand. Mit beiden afrikanischen Festivals koproduziert das Festival Theaterformen darüber hinaus jeweils ein kurzes Stück von Tito Aderemi-Ibitola, Kamogelo Molobye und Janeth Mulapha. Die drei Arbeiten werden im Format 3x30 in Haus Drei uraufgeführt.
Um den in den Theaterarbeiten aufgeworfenen Fragestellungen einen fundierten theoretischen Rahmen zu geben, findet im Louis-Spohr-Saal eine Gesprächsreihe statt. In vier Podiumsdiskussionen geht es um koloniale Kontinuitäten in Deutschland, weiße (Un)Schuld, künstlerische Allianzen für Indigene Landrechte und die künstlerische Aufarbeitung von kolonialem Genozid. Die abschließenden Tischgespräche am letzten Festivaltag boten die Gelegenheit zu einer Selbstreflexion des Festivals als veranstaltende Institution.
Im Rahmen des Programms Watch & Write haben zwölf Kulturjournalist*innen aus zehn afrikanischen Ländern das Festival schreibend begleitet. Ergebnis der gemeinsamen Zeit in Braunschweig ist die Gründung einer Onlineplattform, die den Austausch und die Zusammenarbeit auch über das Festival hinaus möglich machen soll.
Künstlerische Leitung: Martine Dennewald
Generalintendanz Braunschweig: Dagmar Schlingmann
Programm 2018 (PDF, nicht barrierefrei)
Website 2018
Dokumentation Postkoloniale Verstrickungen in Theater, Tanz und Performance
Die Festivalausgabe 2018 widmete sich postkolonialen Themen. Die vorliegende Dokumentation zum Projekt SCHULD, die hier als Pdf zum Download bereit steht, ist als Dank an alle Beteiligten zu verstehen, nicht zuletzt an den Fonds TURN der Kulturstiftung des Bundes.
2017
Festival Theaterformen 2017 (Hannover)
Am 8. Juni eröffnet das Festival 2017, das Gastspiele aus 15 Nationen zeigt, mit Tristesses von Anne-Cécile Vandalem – der Auftakt im Schauspielhaus erzählt vom Aufstieg einer rechtsradikalen Partei. Ebenfalls auf der großen Bühne: das bildgewaltige Dokumentarstück Mare Nostrum der Mexikanerin Laura Uribe, die sich den Guerillakrieg in Kolumbien zum Thema macht, und die futuristische Tanzperformance Sylphidarium, in der Choreografin Francesca Pennini die Balletttradition zerlegt – mittels Live-Musik, getauschten Geschlechterrollen, über 100 Kostümen und einem selbstironischen Blick auf Hipness und Körperkult. 600 HIGHWAYMEN, die schon 2015 zu Gast bei den Theaterformen waren, machen die Zuschauer zu Mitspielern: In The Fever loten die New Yorker gemeinsam mit dem Publikum die Grenzen individueller und kollektiver Verantwortung aus. Mit drei Stücken lädt das Festival an Orte fernab der klassischen Bühne ein: Beim Stadtspaziergang Walk, Hands, Eyes (Hannover) entdeckt man Hannover mit geschlossenen Augen. Eine intime slowenische Fassung von Tschechows Drei Schwestern in einer alten Industriehalle in Leinhausen lässt die Grenze zwischen Figuren und Zuschauer*innen verschwimmen. Schließlich entführt Dein Wort in meinem Mund, von Anna Rispoli und Lotte Lindner & Till Steinbrenner eigens für das Festival produziert, das Publikum an verschiedene Orte: öffentliche, profane, sakrale und höchst intime. Als Partner der Ausstellung PRODUKTION. Made in Germany Drei zeigt das Festival Theaterformen das Stück Oratorium vom Berliner Performance-Kollektiv She She Pop. Gemeinsam mit dem Publikum und einem Chor von Hannoveraner*innen sprechen She She Pop über Eigentum und nehmen Besitzverhältnisse und Machtbeziehungen unter die Lupe. Sacha Yanow tritt in Dad Band als ihr eigener Vater auf. Und auch Choreografin Nora Chipaumire setzt sich in Portrait of Myself as My Father mit der Vaterfigur auseinander – sie nimmt sie zum Anlass, koloniale und postkoloniale Strategien zu hinterfragen.
Darüber hinaus bietet das Festival mit dem Programm+ ein umfangreiches Rahmenprogramm, dazu zählen die Stückeinführungen, Warm-ups und Diskussionen sowie die Konzertabende mit angesagten Indie-Bands im Festivalzentrum. Das Orchester im Treppenhaus inszeniert im Kulissenmagazin des Schauspielhauses eine sechsteilige Konzertperformance. Gemeinsam mit den regionalen Hochschulen werden Seminare und Workshops für Studierende angeboten. Im Vorfeld des Festivals zeigt das Kino im Künstlerhaus Filme mit Theaterbezug.
Premiere feiert der mehrsprachige blog.theaterformen.de, Journalist*innen, die aus ihren Herkunftsländern geflüchtet sind und Studierende bloggen in kreativen Text-, Foto-, Audio- und Video-Formaten über den Festivalalltag. Die Blogredaktion veröffentlicht auf Arabisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Tigrinisch und Persisch.
Künstlerische Leitung: Martine Dennewald
Intendanz Schauspiel Hannover: Lars-Ole Walburg
Programm 2017 (PDF, nicht barrierefrei)
Website 2017
2016
Festival Theaterformen 2016 (Braunschweig)
Eine Uraufführung, vier Europa-Premieren und ebenso viele deutsche Erstaufführungen bietet das Festival 2016. Mit dem Schwerpunkt Our Common Futures, gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes, kommen am ersten Festivalwochenende sieben Stücke aus den Metropolen (Süd)Ostasiens nach Braunschweig – große Bühnenspektakel, experimentelle Performances und Dokumentartheater. Am 9. Juni eröffnet mit GOD BLESS BASEBALL des Japaners Toshiki Okada ein feinsinniges Drama das elftägige Festival. Okada ist bereits zum dritten Mal zu Gast bei den Theaterformen. Maximale Reizüberflutung bietet wiederum EXTREME VOICES der dreißigköpfigen tokioter Truppe Miss Revolutionary Idol Berserker um Toco Nikaido. In HIPSTER THE KING aus Bangkok bevölkern Ikonen des 20. und 21. Jahrhunderts die Bühne, in BALING aus Kuala Lumpur werden die Verhandlungen um die Unabhängigkeit Malaysias lebendig, Kyung Sung Lee aus Seoul bringt sein dokumentarisches Gesellschaftspanorama THE CONVERSATIONS zur Aufführung im LOT-Theater, und Minhee Parks schillernde Klangepisoden sind in der Außenspielstätte Rosenstraße im Wandelkonzert NO LONGER GAGOK hörbar. Mit TEN THOUSAND TIGERS des vielfach ausgezeichneten Künstlers Ho Tzu Nyen kommt ein außergewöhnliches Multimediaspektakel aus Singapur auf die Große Bühne des Staatstheaters. Über den Schwerpunkt hinaus ist Theater aus Syrien (Omar Abusaada) und Europa (Samuel Achache, Juha Valkeapää, DAKH-Theater) zu sehen, sowie das von Theaterformen koproduzierte MINEFIELD - das das Braunschweiger Publikum an beiden Abenden mit Standing Ovations feiert – der argentinischen Regisseurin Lola Arias. Gesprächsformate und Live-Konzerte im Festivalzentrum im Theaterpark, ein Tagungs-Wochenende zum Festivalschwerpunkt und Veranstaltungen mit dem Kunstverein Braunschweig locken ein interessiertes regionales und überregionales Publikum wie auch internationale Fachbesucher*innen an.
Künstlerische Leitung: Martine Dennewald
Generalintendanz Braunschweig: Joachim Klement
2015
Festival Theaterformen 2015 (Hannover)
25 Jahre Festival Theaterformen – im Jubiläumsjahr stehen rund 130 Veranstaltungen auf dem Programm, das vom 2. bis 12. Juli in Hannover stattfindet. In ihrer ersten Festivalausgabe – die mit FANTASIE FÜR MORGEN von Marco Layera und dem Teatro La-Resentida aus Santiago de Chile eröffnet wird – zeigt Martine Dennewald Theater von Mariano Pensotti aus Buenos Aires, von Teater NO99 aus Tallinn und von Craig Freimond aus Johannesburg. In weiteren Produktionen spielen die Zuschauer*innen eine besondere Rolle – sie lernen mit Tiago Rodrigues aus Lissabon ein Shakespeare-Sonett ‘by heart’, diskutieren mit dem Pariser Choreografen Xavier Le Roy im Dunkeln, warten in Julian Hetzels theatraler Installation auf sich selbst, werden in SITUATION ROOMS zu Protagonist*innen des Waffenhandels und in THE RECORD zu Hauptdarsteller*innen eines szenischen Mosaiks. Mit dem kuratorischen Konzept der ‚Doppeleinladungen’, zeigen Rimini Protokoll, Tiago Rodrigues, Xavier Le Roy und 600 HIGHWAYMEN jeweils zwei ihrer aktuellen Produktionen. Mit der Idee, mehrere Stücke einer Kompanie zu präsentieren, ermuntert Martine Dennewald die Zuschauer*innen, zu Expert*innen zu werden, um künstlerische Herangehensweisen oder kulturelle Besonderheiten noch besser ausmachen zu können. Viele Besucher*innen zieht es auch 2015 ins Festivalzentrum. Gut 4500 Gäst*innen nehmen teil am Rahmenprogramm, zu dem die Open-Air-Konzerte, die Festivalfrühstücke und die Video-Installation MEIN ANDERES LEBEN von Mats Staub gehören.
Künstlerische Leitung: Martine Dennewald
Intendanz Schauspiel Hannover: Lars-Ole Walburg
2014
Festival Theaterformen 2014 (Braunschweig)
Das Festival-Programm 2014 präsentiert die Bandbreite an Möglichkeiten, die das Erzählen auf der Bühne bietet. Angesichts der Vielzahl von ortsspezifischen Projekten, die die Festivalprogramme der vergangenen Jahre geprägt haben, ist die Wiedereroberung der Bühnenräume jedoch geradezu radikal. Eröffnet wird die zwölftägige Spielzeit mit einem Macbeth nach Verdi. Mit einem interkontinentalen Team aus Südafrika, Belgien und Serbien zeigt Brett Bailey eine zeitgenössische Version der archaischen Geschichte, die an zwei Abenden im voll besetzten Staatstheater Braunschweig mit Standing Ovations bejubelt wird. Das Festival hatte diese Arbeit des weltweit gefeierten Regisseurs neben Partnern aus Wien, Brüssel, London und Paris koproduziert. Auch die drei Uraufführungen Goethes Zebra von Hans-Peter Litscher, Statue of Loss von Faustin Linyekula und sounds like war: Kriegserklärung des Berliner Perfomancekollektivs andcompany&Co. stehen auf dem Programm. Die Stücke von Faustin Linyekula und der andcompany&Co. sind zum Thema „100 Jahre Erster Weltkrieg" im Auftrag der Theaterformen und des Lift Festival London produziert worden. Mit dem Ende des Festival Theaterformen 2014 verabschiedet sich die künstlerische Leiterin Anja Dirks nach sechs Festivalausgaben. Das erste Festival kuratierte Dirks 2009.
Künstlerische Leitung: Anja Dirks
Generalintendanz Braunschweig: Joachim Kle
ment
2013
Festival Theaterformen 2013 (Hannover)
Die Theaterformen setzen im Rahmen des von der Kulturstiftung des Bundes geförderten Projektes „Shared Spaces“ mit „Kinshasa Connection“ einen Schwerpunkt des Festivals 2013. Im Mittelpunkt stehen neben dem umfangreichen Rahmen- und Filmprogramm die Stücke In Case Of Fire Run For The Elevator von Boyzie Cekwana, Faustin Linyekulas Drums And Digging und La Fin de la légende von Dieudonné Niangouna, die erst beim Partnerfestival Connexion Kin in Kinshasa und im Anschluss in Hannover zu sehen sind. Auch die zehn Theaterformen-Stipendiat*innen besuchen beide Festivals. Im Rahmen dieses Schwerpunkts haben die Theaterformen die Hörausstellung Congo Connection bei der Agentur Kriwomasow in Auftrag gegeben, präsentiert im Landesmuseum Hannover. Mit der iranischen Inszenierung und dem Eröffnungsstück der Theaterformen Iwanow von Amir Reza Koohestani, mit Late Night der Blitz Theatre Group aus Griechenland, mit Olmamis mit der Kompanie Studio 4 Istanbul und mit dem syrischen Intimacy von Omar Abusaada kommen aktuelle Themen der Weltpolitik auf die Bühnen Hannovers und sorgen für ungewöhnliche Begegnungen und bewegende Momente. Drei spektakuläre Inszenierungen bilden den inhaltlichen Schwerpunkt „Posthumane Dramaturgien“: Sans objet von Aurélien Bory, Rimini Protokolls Remote Hannover und Urwald der Schweizer Kompanie Far A Day Cage. Vor jeweils ausverkauftem Haus sind zwei unterschiedliche Interpretationen von Shakespeares Lear die letzten Premieren der 14. Ausgabe des Festivals: Im Schauspielhaus spielen She She Pop mit ihren Vätern Testament, und im Ballhof Eins zeigt Konstantin Bogomolow seine russiche Version Lear. Eine Komödie. Zum Festival tagte das Office national de diffusion artistique (ONDA) aus Paris. Das ITI – Internationales Theaterinstitut veranstaltete seine Jahreshauptversammlung bei den Theaterformen.
Künstlerische Leitung: Anja Dirks
Intendanz Schauspiel Hannover: Lars-Ole Walburg
Programm 2013 (PDF, nicht barrierefrei)
Website 2013
Shared Spaces
Im Sommer 2013 wurde in Kinshasa das Netzwerk Shared Spaces gegründet. Zu den Initiator*innen gehören neben den Theaterformen weitere Festivals, internationale Künstler*innen und Kurator*innen. Zu den ersten Projekten zählte die Koproduktion mehrerer Theaterstücke. Drei von ihnen wurden zunächst beim Festival Connexion Kin und anschließend in Hannover im Rahmen des Schwerpunkts Kinshasa Connection präsentiert. Zu dem Schwerpunkt zählten außerdem Diskussionsveranstaltungen und die Akademie der Festivalstipendiat*innen.
Der hier abrufbare Reader dokumentiert die Kolloquien während der Theaterformen, skizziert die Koproduktionen und berichtet von den auf der Gründungsveranstaltung formulierten Zielen und Ideen von Shared Spaces.
2012
Festival Theaterformen 2012 (Braunschweig)
2012 spielt Braunschweig eine der Hauptrollen – 100 Prozent Braunschweig von Rimini Protokoll ist sowohl Auftakt für die 13. Ausgabe des Festivals als auch für den thematischen Schwerpunkt DU BIST DIE STADT. Zudem werden auf dem Burgplatz, dem Bohlweg und im Städtischen Museum mit Roger Bernats Domini Public, mit Nataša Rajkovićs und Bobo Jelčics Izlog und mit Home Sweet Home von Subject to_change Fragen nach Teilhabe und Ausgrenzung, Identität und Gemeinschaft gestellt, werden Lebensmodelle für die Zukunft erdacht. Brandneu ist Forced Entertainments The Coming Storm, das zwar im Großen Haus gezeigt wird, jedoch auf einer um 180 Grad gedrehten Bühne. Notwendig geworden war diese besondere Situation für eine andere Produktion: das Bühnenbild Anna Viebrocks zu Christoph Marthalers Meine faire Dame war breiter als das Portal. Hinter dem Portal aufgebaut und mit einer Zuschauertribüne auf der Hinterbühne ist die My fair Lady-Variation ein großer Erfolg. Mit Lagartijas tiradas al sol aus Mexiko, Verk Produksjoner aus Norwegen, Miet Warlop aus Belgien und Omar Abu Saada aus Syrien stehen außerdem junge Talente und ungewöhnliche Formate auf dem Programm.
Künstlerische Leitung: Anja Dirks
Generalintendanz Braunschweig: Joachim Klement
2011
Festival Theaterformen 2011 (Hannover)
An einem geheimen Ort eröffnen die Theaterformen 2011 mit Brett Baileys südafrikanischer Version von Orfeus. Zum Schwerpunkt Naher Osten gehören Arbeiten von Mokhallad Rasem (Irak), Omar Ghayatt (Ägypten), Lina Saneh und Rabih Mroué (Libanon) und Amir Reza Koohestani (Iran). Die Stücke Pièce pour la technique du Schauspiel de Hanovre von Phillipe Quesne und Anna Rispolis L’Invenzione dell’ Ascensore im holländischen Expopavillon werden eigens für Theaterformen produziert. Auf dem Opernplatz strandet das Ship o’ fools von Janet Cardiff und Goerge Bures Miller. Und erstmalig bespielen die Theaterformen das Opernhaus – mit Velmas Velma Superstar aus der Schweiz. Auf den Bühnen des Staatstheaters sind Gastspiele der Gruppe Elevator Repair Service aus New York zu sehen, spielen Béla Pintér und Comagnie aus Ungarn, läuft Massimo Furlan bei seinem Re-Enactmemt des Grand Prix-Finales von 1973 zu Hochtouren auf und kratzt Toshiki Okada mit feinem Witz an den Oberflächen des alltäglichen Daseins in Tokio.
Künstlerische Leitung: Anja Dirks
Intendanz Schauspiel Hannover: Lars-Ole Walburg
2010
Festival Theaterformen 2010 (Braunschweig)
20 Jahre Theaterformen! Mit dem Programm 2010 schauen die Theaterformen jedoch in die Zukunft. Mehrere Stücke aus der Theaterszene Buenos Aires’ werfen einen Blick auf eine künftige Gesellschaft. Unter dem Themenschwerpunkt "Presence of the Colonial Past" vereinen sich Theaterarbeiten von Brett Bailey, Boyzie Cekwana und Faustin Linyekula, ein Themenwochenende und eine Filmreihe. Denn eine Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit ist für die Zukunft Afrikas ebenso bedeutsam wie für die Zukunft Europas. Neben den Bühnen des Staatstheaters, dem LOT und Räumen im Rebenpark ist eine zentrale Spielstätte ein Zelt im Museumspark als Theater im Park.
Künstlerische Leitung: Anja Dirks
Generalintendanz Braunschweig: Joachim Klement
Programm 2010 (PDF, nicht barrierefrei)
Website 2010
Presence of the Colonial Past
Keinem anderen Kontinent begegnen wir mit einer solchen Ignoranz wie dem afrikanischen. Aber warum ist das so? Der Themenschwerpunkt Presence of the Colonial Past, den das Festival Theaterformen 2010 in Braunschweig veranstaltete, widmete sich dieser Frage in unterschiedlichen Formaten. Eine Filmreihe, vier Theaterproduktionen und ein Themenwochenende thematisierten den europäischen Blick auf den afrikanischen Kontinent. Der hier veröffentlichte Reader dokumentiert die im Rahmen dieses Themenschwerpunkts gesammelten Einblicke, Erlebnisse und Impulse.
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Reader (PDF, nicht barrierefrei)
20 Jahre Festival Theaterformen
2010 sind die Theaterformen 20 Jahre alt geworden. Ein schöner Anlass, um zurück zu blicken. Das umfassende Jubiläumsbuch lässt die elf Editionen der Theaterformen Revue passieren, die zwischen 1990 und 2010 in Braunschweig und Hannover stattfanden. Eine umfangreich bebilderte Chronik ruft noch einmal alle Gastspiele in Erinnerung. Außerdem kommen diejenigen zu Wort, die das Festival geprägt und begleitet haben: Kurator*innen, Künstler*innen, Förderer*innen, Mitarbeiter*innen und Zuschauer*innen berichten über ihre persönlichen Erlebnisse in Braunschweig und Hannover. 20 Jahre Theaterformen lädt ein zu einer Reise durch zwei Jahrzehnte deutscher und internationaler Festivalgeschichte.
2009
Festival Theaterformen 2009 (Hannover)
Nach der erfolgreichen Eröffnung im Theater am Aegi mit Aurélien Borys Taoub finden viele Produktionen nicht auf den konventionellen Bühnen statt: Dries Verhoevens Niemandsland führt durch Hannover, Some Things Happen All At Once von Rosa Casado und Mike Brookes findet in der Haupthalle des Neuen Rathaus statt und die belgische Kompanie Marius zeigt Samuels Becketts Alle die da fallen im Georgengarten am Wilhelm Busch-Museum. Zum Phänomen Urbane Akteure findet die Tagung Stadtraum und Inszenierung statt. Andreas Kriegenburgs Der Prozess von Franz Kafka feiert im Schauspielhaus neben Alvis Hermanis’ Schukschins Erzählungen und Philippe Quesnes La Mélancholie des Dragons große Erfolge. Auf den Ballhofbühnen sind zu sehen Between the devil and the deep blue sea von 1927, City circus zero work von der andcompany&Co. mit dem Jungen Schauspiel Hannover, The Rehearsal von Cuqui Jerez, Faustin Linyekulas More more more ... future, Patience camp von Thom Luz und La Omision de la Familia Coleman von Timbre 4 / Claudio Tolcachir.
Künstlerische Leitung: Anja Dirks
Schauspielintendanz Hannover: Wilfried Schulz
2008
Festival Theaterformen 2008 (Braunschweig)
Für den Chor in der antiken Tragödie Die Perser mobilisiert die Regisseurin Claudia Bosse über 300 Laiendarsteller*innen, der ukrainische Künstler Boris Mikhailov hält sie in Porträtaufnahmen fest. Einen kulinarischen Zugang bieten das französische Théâtre Dromesko mit der Suppenkantine La Baraque mit Gesang und Marionetten und die begehbare Torte des Théâtre des Confettis aus Kanada. Sechs Stunden lang halten Ivo van Hoves Schauspieler*innen die Zuschauer*innen mit den Römischen Tragödien in Bann. Als deutscher Regisseur gibt Armin Petras seinen Festival-Einstand mit Zwei arme Polnisch sprechende Rumänen.
Künstlerische Leitung: Stefan Schmidtke
Generalintendanz Braunschweig: Wolfgang Gropper
2007
Festival Theaterformen 2007 (Hannover)
Ungewöhnliche Formate wie ein Theaterzirkus (Cirque désaccordé aus Frankreich) und ein brasilianisches Jugendprojekt (Afro Reggae) prägen das Programm, das ab 2007 abwechselnd in Braunschweig und Hannover stattfindet. Am Kröpcke spielt das australische Back to Back Theatre ihr Stück Small metal objects zwischen den Passant*innen in der Fußgängerzone. In Koproduktion mit dem Schauspiel Hannover und dem Schauspielhaus Hamburg kommt die Uraufführung von Pornographie von Simon Stephens heraus und wird später zum Theatertreffen eingeladen.
Künstlerische Leitung: Stefan Schmidtke
Schauspielintendanz Hannover: Wilfried Schulz
2004
Festival Theaterformen 2004 (Braunschweig / Hannover)
Die Auseinandersetzung mit Fundamentalismus und Demokratie bestimmt die gesellschaftspolitische Fragestellung des Festivals. Der libanesische Publizist und Theatermacher Rabih Mroué ist mit zwei Produktionen vertreten (Biokhraphia, Looking for A missing employe), außerdem der polnische Regisseur Krysztof Warlikowski (Macbeth) und die englisch-deutsche Performancegruppe Gob Squad (Room Service). Zu den deutschen Regisseuren zählt erstmals Frank Castorf. Ein breites Dialog-Programm bieten Vorträge und Diskussionen mit Denkern wie Zygmunt Bauman, Slavoj Žižek und Antonio Negri.
Künstlerische Leitung: Veronica Kaup-Hasler
Generalintendanz Braunschweig: Wolfgang Gropper
Schauspielintendanz Hannover: Wilfried Schulz
2002
Festival Theaterformen 2002 (Braunschweig / Hannover)
Das internationale Programm prägen Gerardjan Rijnders & Tom Lanoye aus den Niederlanden (Mamma Medea), Richard Maxwell aus den USA sowie Gruppen aus Kroatien und Argentinien, aus dem deutschsprachigen Raum stellen sich Joachim Schlömer (La Guerra d’Amore), Christoph Marthaler und René Pollesch vor. Inspiriert von der Bildenden Kunst finden Arbeiten von David Claerbout und Yang Zhenzhong Eingang, dazu die Inszenierung des Filmklassikers Fahrenheit 451 durch Fred Kelemen. Die gerade gegründete Formation Rimini Protokoll beobachtet in dem Projekt Sonde Hannover die Stadt von oben.
Künstlerische Leitung: Veronica Kaup-Hasler
Generalintendanz Braunschweig: Wolfgang Gropper
Schauspielintendanz Hannover: Wilfried Schulz
2000
Festival Theaterformen 2000 (Braunschweig / Hannover)
Mit einem Schwerpunkt auf Figuren- und Objekttheater bietet die fünfte Ausgabe Inszenierungen aus Australien, Kanada, Russland, Israel, Argentinien. Das kleinste Format ist ein Live-Kino von vier Akteur*innen in einer kleinen Schaubude für eine Person (It’s your film, Stan’s Café, Großbritannien). Aus Südafrika kommt die Handspring Puppet Company des Regisseurs, Filmemachers und Künstlers William Kentridge mit Chimp Project. Pina Bausch (Kontakthof) und der belgische Choreograf Alain Platel (Allemaal Indiaan) geben Einblicke in das zeitgenössische Tanztheater. Weitere Höhepunkte sind Hamlet in der Regie von Peter Zadek (mit Angela Winkler als Hamlet) und Die Zofen (inszeniert und gespielt von Ignaz Kircher und Gert Voss).
Künstlerische Leitung: Marie Zimmermann
Schauspielintendanz Hannover: Ulrich Khuon
Generalintendanz Braunschweig: Wolfgang Gropper
1998
Festival Theaterformen 1998 (Braunschweig / Hannover)
Mit Elmar Goerden (Das Meer war groß), Martin Kusej (König Arthur), Karin Beier (Der Sturm) und dem Ensemble Modern von Heiner Goebbels (Eislermaterial, Schwarz auf Weiß) präsentiert das Festival verstärkt aktuelle deutsche Regiehandschriften. Der unglaubliche Siegeszug des schrägen Rockmusicals Shockheaded Peter von den Briten Julian Crouch, Phelim McDermott und den musizierenden Tiger Lillies auf dem Kontinent beginnt mit der Europa-Premiere in Hannover. Weitere Produktionen stellen die Arbeiten von Jan Fabre (Belgien), Eimuntas Nekrosius (Litauen), Johan Simons (Niederlande) und Forced Entertainment (Großbritannien) vor.
Künstlerische Leitung: Marie Zimmermann
Schauspielintendanz Hannover: Ulrich Khuon
Generalintendanz Braunschweig: Wolfgang Gropper
1995
Festival Theaterformen 1995 (Braunschweig, Wolfenbüttel, Hannover)
Am 25. April 1995 geschieht in Braunschweig ein folgenschwerer Bühnenunfall: Der eiserne Vorhang kracht aus neun Metern Höhe mit voller Wucht herunter und durchschlägt den Bühnenboden des Staatstheaters. Nach anfänglicher Hoffnung, das Haus doch bis zum Festivalstart am 8. Juni wieder bespielbar zu machen, versagt die Gemeinde-Unfall-Versicherung die Freigabe. „Platzt das Theaterereignis des Jahres“? fragt die Hannoversche Allgemeine Zeitung am nächsten Tag. Dem Festival drohe „ein organisatorisches und finanzielles Fiasko“, da die große Bühne des Staatstheaters Braunschweig, auf der mit Pandurs Göttlicher Komödie und dem südafrikanischen Mama! zwei große Produktionen des Festivals stattfinden sollten, „voraussichtlich erst im August wieder für den Spielbetrieb zur Verfügung stehen werde“. Mit Hochdruck wird nach Ausweichspielorten gesucht. Für das Musical Mama! finden die Festivalmacher*innen eine Industriehalle in Braunschweig, die MAN-Halle 5 am Steinriedendamm. Zwei Teile von Tomaž Pandurs Trilogie der Göttlichen Komödie werden nach Hannover in die sogenannte U-Boot-Halle von Hanomag an der Göttinger Straße „ausgelagert“. Damit ist Hannover erstmals mit im Spiel bei den Theaterformen. Darüber hinaus wird in Wolfenbüttel eine der spektakulären Produktionen des kanadischen Virtuosen Robert LePage gezeigt: Die sieben Ströme des Flusses Ota. Und Anatoliĭ Vasilʹev zeigt dort mit einem jungen Moskauer Ensemble Puschkins Eugen Onegin.
Künstlerische Leitung: Thomas Petz
Generalintendanz: Jürgen Flügge
1991
Festival Theaterformen 1991 (Braunschweig / Wolfenbüttel)
Der Schwerpunkt der zweiten Ausgabe, die teilweise auch das benachbarte Wolfenbüttel bespielt, lautet Osteuropa. Zentral sind zwei Auftragsproduktionen: Die Dramatisierung von Dostojewskis Dämonen in der Regie von Lev Dodin, Maly Drama Theater, St. Petersburg und Nathans Tod, Text und Regie von Georges Tabori, als Koproduktion mit dem Bayerischen Staatsschauspiel. Der polnische Regisseur Andrzej Wajda ist mit Hochzeit zu Gast, außerdem der rumänische Regisseur Silviu Purcărete mit König Ubu und Szenen aus Macbeth und der Schweizer Spurensucher und Echosammler Hans Peter Litscher mit Lessing's Blessings.
Künstlerische Leitung: Bernd Kauffmann, Peter Ries
Generalintendanz: Mario Krüger
1990
Festival Theaterformen 1990 (Braunschweig)
Im November 1990 wird das Festival in Braunschweig von Bernd Kauffmann aus der Taufe gehoben. Der Etat kommt aus Mitteln der Zonenrandgebietsförderung. Die thematische Auseinandersetzung der ersten Ausgabe gilt William Shakespeare. Dabei werden vor allem zwei Inszenierungen gegenübergestellt: La Tempete, eine Koproduktion mit dem C.I.C.T, Paris, in der Regie von Peter Brook und Titus Andronicus in der Regie von Peter Stein. Kleine Produktionen und ein Rahmenprogramm mit Filmen, Videos, Performances runden das Festival ab.
Künstlerische Leitung: Bernd Kauffmann, Peter Ries
Generalintendanz: Mario Krüger