„Hu – to sign is human“ von Melissa Malzkuhn 2002

Dieses Plakat, das aktuell an einer der großen Säulen am Eingang des Schauspielhauses prangt, wurde von der amerikanischen Künstlerin und Aktivistin Melissa Malzkuhn entworfen. 

Ihre Kampagne Hu – to sign is human will das Bewusstsein für den frühen Erwerb der Gebärdensprachen (1)  bei Tauben (2) Kindern (insbesondere im Alter von 0 – 5 Jahren) schärfen und ruft zum gleichberechtigten Zugang zu Gebärdensprachen als Menschenrecht auf.

Mit ihrer Kampagne möchte Melissa Malzkuhn die Botschaft vermitteln, dass Taube Kinder das gleiche Recht auf Sprache haben, wie alle anderen auch, und dass diese ihnen nicht verwehrt wird. 

„To sign is human“ – dieser Titel spricht für sich, denn Gebärdensprachen sind ein Menschenrecht für Taube Menschen. Dieses Menschenrecht wird den Tauben Communities aufgrund des audistischen (3) Systems willkürlich verwehrt. 

Gebärdensprachen werden oft nur als „Kommunikationsmittel“ oder als „Ausnahme“ in Sonderfällen abgetan und nicht selbstverständlich angeboten. Kein Zugang zur Erstsprache hat sprachliche Deprivation (4) zur Folge. Nur der frühe Erwerb zu Gebärdensprachen sowie zu jeder anderen Sprache, auch für hörende Kinder, schafft für Taube Kinder die kognitive Grundlage zur Lese- und Schreibfähigkeit und ermöglicht sozial-emotionale Bindung. Wird den Kindern der Zugang zu Gebärdensprachen verwehrt, hat das verheerende Folgen und lebenslange Auswirkungen, wie beispielsweise psychische oder kognitive Probleme. Weltweit erhalten nur 3 % der Tauben Kinder Unterricht in Gebärdensprachen.

„Hände auf den Rücken und Lippen spitzen!“ – so sah der Bildungsweg vieler Tauber Menschen aus. Das sind die Folgen des Mailänder Kongresses von 1880. Bei diesem Kongress waren fast ausschließlich hörende Pädagog*innen zugegen und dort wurde die Resolution verabschiedet, Taube Kinder nur rein lautsprachlich („Orale Methode“) zu unterrichten. Dies hat sich weit ausgebreitet. Gebärdensprachen wurden aus dem regulären Unterricht verbannt und Tauben Pädagog*innen wurde gekündigt. Somit wurde und wird auch heute noch vielen Tauben Schüler*innen der Zugang zu Bildung willkürlich verwehrt. Das hat bis heute erhebliche Bildungsdefizite zur Folge, aus der unter anderem eine hohe Arbeitslosigkeit bei Tauben Personen resultiert. 

Dazu ein Zitat: „Hörende Pädagog*innen, die der „Oralen Methode“ anhingen bzw. anhängen, versuch(t)en nicht, sich in die Fähigkeiten und Bedürfnisse Tauber hineinzuversetzen […] sondern press(t)en Erstere mit Gewalt in das eigene hörende Lebensmuster.“ (Rajashekhar 2011: 291)

Die Jahreszahl auf unserem Hu-Plakat ist 2002: In diesem Jahr wurde endlich, nach langem Kampf, die Deutsche Gebärdensprache (DGS) als eigenständige Sprache anerkannt. Leider reicht das nicht. Heute haben wir das Jahr 2023 und die Taube Community hat noch immer mit der audistischen Struktur der hörenden Dominanzgesellschaft zu kämpfen. Trotz der Anerkennung von DGS als Sprache, werden Taube Menschen gesellschaftlich behindert – vom Kleinkind bis ins Erwachsenenalter. Mit wenig bis gar keinem Zugang zu Bildung, und auch im Alltagsleben (Fernsehen, Behörden, Arbeitsplatz, öffentliche Veranstaltungen …), werden Tauben Menschen nach wie vor Informationen verwehrt.

Wir kämpfen noch immer.

 

(1) Gebärdensprachen wird in Mehrzahl geschrieben, weil es nicht nur „die eine Gebärdensprache“ gibt, denn sie unterscheiden sich von Land/Region zu Land/Region, deshalb ist es auch wichtig zu definieren, um welche Gebärdensprache es sich handelt, in unserem Fall, die Deutsche Gebärdensprache (DGS).

(2) „Taub“ wird aus Gründen der positiven Selbstbezeichnung immer großgeschrieben. hörend wird klein geschrieben, da es sich im Gegensatz zu der Benennung Taub um keine politische empowernde Selbstbezeichnung, sondern um die konkrete Benennung einer privilegierten Positionierung handelt. Es gibt auch „taub“ als kleingeschriebenes Wort, welches das Defekt des Gehörs hervorhebt.

(3) Audismus ist eine Geisteshaltung hörender Menschen, seit Jahrhunderten gerichtet gegen Taube und schwerhörige Menschen und gründet auf der phonozentristischen Vorstellung, nach der gesprochene Sprache und menschliche Identität aneinander gekoppelt sind.

(4) sprachliche Deprivation: Das Wort Deprivation leitet sich vom lateinischen Verb deprivare („berauben“) ab und bezeichnet den „Raub“ einer Sprache. 
Quelle

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Hu – to sign is human 2002 – Melissa Malzkuhn | ASL mit deutschen Untertiteln