Programmveröffentlichung
FESTIVAL THEATERFORMEN 2020
Pandemietaugliche Sonderausgabe „A Sea of Islands“ vom 2. bis 12. Juli
in Braunschweig und online
Zu seinem 30. Jubiläum präsentiert sich das Festival Theaterformen in alternativer, pandemietauglicher Form: Unter dem Motto „A Sea of Islands“ versammelt es künstlerische Formate, die mit Inseln in aller Welt in Verbindung stehen. Die ursprünglich eingeladenen internationalen Theatermacher*innen bringen sich teils mit brandneuen, teils mit bereits existierenden Werken ein: Briefe und Publikationen für Zuhause, künstlerische Videos auf der Festivalwebsite sowie Arbeiten mit installativem Charakter, die unter strengen Hygieneauflagen vor Ort in Braunschweig zu besuchen sind. Die Online-Gesprächsserie The One Thing That Helped begleitet die Kunst und liefert den Kontext. Und wie gewohnt klingen die Inselmeertage bei Musik aus.
A SEA OF ISLANDS
Die Färöer-Inseln, die Komoren und die Karibik, Nauru, Timor und Sri Lanka: Für elf Tage rückt das Festival Theaterformen Inseln ins Zentrum der Aufmerksamkeit – und mit ihnen politische Sonderfälle, geostrategische Brennpunkte und Projektionsflächen für ein besseres Leben.
Martine Dennewald erklärt: „Mit A Sea of Islands stellen wir die vermeintlichen Randgebiete in den Mittelpunkt. Das bedeutet nicht weniger, als einen anderen Blickwinkel auf die Welt einzunehmen.“ Viele Schwierigkeiten, vor welche Inseln gestellt sind, haben für die ganze Welt Relevanz; von der Klimakrise und der Erschöpfung natürlicher Ressourcen bis zum Umgang mit Migration. Nicht selten wird gerade in der räumlichen Vereinzelung deutlich, wie sich weltweite geopolitische oder ökologische Verstrickungen auswirken. „Von Inseln“, betont Martine Dennewald, „können wir einiges lernen, wenn es um das Wechselspiel von Isolation und globalen Zusammenhängen geht.“
Angesichts der Corona-Krise hat der Fokus auf die vermeintliche Peripherie, auf räumlich isolierte und dennoch global verbundene Orte, eine ungeahnte Aktualität erhalten. „Als internationales Festival stehen wir für den Blick über den Tellerrand, für den Austausch über die Grenzen hinweg. Das gilt es jetzt nicht zu vergessen: Auch in der Vereinzelung, auch im Rückzug sind wir Teil eines Ganzen,“ findet Martine Dennewald, die mit „A Sea of Islands“ ihre letzte Festivalausgabe präsentiert.
Vor Ausbruch der Pandemie hatte das Festival Theaterformen geplant, 18 internationale Produktionen, die mit gleich vielen verschiedenen Inseln auf der ganzen Welt in Verbindung stehen, auf Braunschweigs Bühnen zu präsentieren. Die Sonderausgabe des Festivals bleibt den ursprünglich eingeladenen Künstler*innen und dem Insel-Bezug treu.
DIE KUNST
Projekte für Zuhause, vor Ort in Braunschweig und online
Postalische Festivalgrüße
Rimini Protokoll, deren Stück Granma. Posaunen aus Havanna das Festival eröffnet hätte, bitten ihr kubanisches Ensemble, ihre Erfahrungen als Bewohner*innen eines langjährig isolierten Staates mit dem Publikum zu teilen – per Post, die in den heimischen Briefkasten geliefert wird. Auch Silke Huysmans und Hannes Dereere, die mit Pleasant Island ein Dokumentartheaterstück zur Pazifikinsel Nauru entwickelt haben, schicken dem Publikum ein eigens für das Festival entwickeltes Schriftstück nach Hause.
Grenzgänger: Installationen in Braunschweig
Zu den Grenzgängern von zeitgenössischem Theater und Bildender Kunst gehört zweifelsohne die raumgreifende Videoinstallation Thirst von Voldemārs Johansons, der einen Jahrhundertsturm auf den Färöer-Inseln erfahrbar macht – zu sehen im Großen Haus des Staatstheaters Braunschweig. Im Kleinen Haus präsentiert die Choreografin Marlene Monteiro Freitas, aufgewachsen auf den Kapverden, ihre Installation Cattivo aus vielen hundert Notenständern, die sich zu dramatischen Szenen, suggestiven Momentaufnahmen und Gruppenporträts formieren.
Mit ihrer Arbeit Los Sobrevidentes zeigt die Kubanerin Laura Liz Gil Echenique ein partizipatives Projekt mit installativem Charakter, in dem sie mit einer Gruppe Braunschweiger Senior*innen und ihrem Publikum die Zukunft ersinnt. Laila Soliman, letztes Jahr bereits mit ihrer Uraufführung My Body Belongs to Me beim Festival in Hannover, präsentiert ihre neueste Arbeit über und mit Abir Omer und Yodit Akbalat, die vor einigen Jahren aus Sudan nach Norddeutschland geflüchtet sind: In Wanaset Yodit, das teils als Installation im Gartenhaus Haeckel im Theaterpark, teils als Briefstück und online stattfindet, teilen die beiden ihre Geschichten mit dem Publikum. Und zu einer hygienisch sicheren Begegnung mit einer gänzlich fremden Person lädt das New Yorker Regieduo 600 HIGHWAYMEN mit der Uraufführung A Thousand Ways ins LOT-Theater ein.
„Auch wenn nichts das gemeinsame Theatererlebnis ersetzen kann, freue ich mich auf die Kunstwerke, die wir als Installationen in Braunschweiger Spielstätten unter Wahrung der Hygienevorschriften und als neu entstandene Videoarbeiten auf unserer Website zeigen werden“, kommentiert Martine Dennewald ihr Programm, von dem gut die Hälfte online stattfindet:
Online
Der Theatermacher und Geschichtenerzähler Ogutu Muraya produziert eine Videoarbeit über die Komoren, die er zu Recherchezwecken für sein Stück The Ocean Will Always Try to Pull You In bereist hat. Aus Indonesien kommen gleich zwei Videoarbeiten des Choreografie-Stars Eko Supriyanto. Die fünf Tänzerinnen aus Supriyantos Choreografie Ibuibu Belu berichten über die Spuren, die das COVID-19-Virus in Belu hinterlässt. Und der japanische Regisseur Yudai Kamisato hat sich die Inselgruppe Okinawa vorgenommen und wagt in seinem neuen Hörstück Khao Khao Club eine angeschickerte Neuordnung ostasiatischer Geografie. Zwoisy Mears-Clarke und Venuri Perera diskutieren über die Kontinente hinweg zum weißen Erbe in Körpern of Colour, und Ira Brand, die sich in Ways to Submit eigentlich mit ihrem Publikum ins Gefecht begeben hätte, bietet neben einem Hörstück auch eine Videoanleitung für heimische Ringkämpfe an. Lígia Soares, deren Arbeit Cuore auf dem Vorplatz des Staatstheaters stattgefunden hätte, unterhält sich online mit Jesse James, dem Leiter des Walk & Talk Festival auf den Azoren, wo Cuore vor zwei Jahren uraufgeführt wurde – über das atlantische Archipel, eine Gemeinschaft auf Zeit und Isolation und Verbundenheit. Und auch düstere Inselgeschichten finden im Programm Platz – wie der transatlantische Handel mit versklavten Personen, über den Theatermacherin Selina Thompson mit der US-amerikanischen Autorin Saidiya Hartman spricht.
Online-Serie The One Thing That Helped
Als Teil des digitalen Angebots findet die Live-Gesprächs-Serie mit dem Titel The One Thing That Helped mit fast allen beteiligten Künstler*innen statt. Moderiert werden die einzelnen Folgen von Martine Dennewald.
Konzerte
Live auf dem Okerfloß startet der Bandreigen mit Fehler Kuti am 2. Juli. Auch die Cellistin Anne Müller spielt auf dem Fluss. Weitere Konzerte finden mit Ilgen-Nur, Tellavision, Die Wilde Jagd und Madar Band online statt auf www.theaterformen.de
Foto Eintrag Startseite Aktuell: Thirst / Voldemars Johansons, Foto: M. Kolly)