19.06.2018

Bilanz 2018

Das Festival Theaterformen 2018
liegt hinter uns – elf Tage, die reich waren an Eindrücken und Erlebnissen. 280 Personen aus rund 30 Ländern waren vor Ort, um das Festival möglich zu machen – die Künstler_innen und ihre Teams, die Beteiligten der Gesprächsreihe, die Journalist_innen von Watch & Write, die Stipendiat_innen unserer Festivalakademie, die Expert_innen von In guter Gesellschaft, Künstlerbetreuer_innen, Fahrer_innen - und natürlich das Kernteam des Festivals, das bereits seit über einem Jahr mit dessen Vorbereitung beschäftigt war. Mit einer Auslastung von knapp 90 Prozent waren die Stücke sehr gut besucht – viele Vorstellungen waren ausverkauft. Im Festivalzentrum haben Fehlfarben sogar den Besucherrekord gebrochen, und auch die übrigen Bands zogen bei traumhaftem Sommerwetter ein zahlreiches Publikum in den Theaterpark.

Die diesjährige Festivalausgabe widmete sich aus unterschiedlichen Perspektiven den Folgen des Kolonialismus und seinen Auswirkungen auf kollektive sowie individuelle Schicksale der Gegenwart. Exemplarisch hierfür war das Eröffnungsstück Saigon – ein Melodram, das zwei Zeitebenen miteinander verschaltet, um von zerrissenen Biografien zwischen Frankreich und seiner ehemaligen Kolonie Indochina zu erzählen. Diesem Stück für die Große Bühne standen Arbeiten gegenüber, die sich jenseits des Theaterraums ähnlichen Fragestellungen widmeten: In Collisions von Lynette Wallworth wurden die Zuschauer_innen per VR-Brille in die australische Wüste versetzt und erlebten dort einen Atomwaffentest mit. In £¥€$ wurde an Kasinotischen um die Weltwirtschaft und die Schicksale kreditunwürdiger Länder gezockt und Julian Hetzels Schuldfabrik in der Burgpassage führte das Publikum hinter der Kulisse eines Seifenshops in den Handel mit Schuldgefühlen und Sühne ein. So war auch in diesem Jahr wieder eine Vielfalt an Theaterformen beim Festival zu sehen – vom klassischen Schauspiel bis zur modernsten VR-Technologie, vom Bühnenstück bis zur interaktiven Performance im Stadtraum.

Martine Dennewald meint
„Die kritische Betrachtung globaler Machtverhältnisse und ihre Auswirkungen auf individuelle Biografien standen im Zentrum des Festivals Theaterformen 2018. Theater- und Tanzaufführungen, Performances, Installationen und ein Virtual-Reality-Film verhandelten Geschichte und Gegenwart; in vielfältigen künstlerischen Formen wurde erfahrbar, wie Lebenssituationen weltweit voneinander abhängen und wie klar Europa in der Verantwortung steht, sich mit seinem kolonialen Erbe auseinander zu setzen.“

Gesprächsreihe
Um den in den Theaterarbeiten aufgeworfenen Fragestellungen einen fundierten theoretischen Rahmen zu geben, fand im Louis-Spohr-Saal eine Gesprächsreihe statt. In vier Podiumsdiskussionen ging es um koloniale Kontinuitäten in Deutschland, weiße (Un)Schuld, künstlerische Allianzen für Indigene Landrechte und die künstlerische Aufarbeitung von kolonialem Genozid. Die abschließenden Tischgespräche am letzten Festivaltag boten die Gelegenheit zu einer Selbstreflexion des Festivals als veranstaltende Institution.

Watch & Write
Im Rahmen des Programms Watch & Write waren zwölf Kulturjournalist_innen aus zehn afrikanischen Ländern in Braunschweig zu Gast, um das Festival schreibend zu begleiten und sich über ihre Arbeit auszutauschen. Ergebnis der gemeinsamen Zeit beim Festival Theaterformen ist die Gründung einer Onlineplattform, die den Austausch und die Zusammenarbeit auch über das Festival hinaus möglich machen soll. Geleitet wurde das Projekt von Mounia Meiborg (Süddeutsche Zeitung) und Parfait Tabapsi (Mosaiques).

F
estivalzentrum im Theaterpark
Nach den Vorstellungen war das Festivalzentrum rund um das Gartenhaus Haeckel Treffpunkt für Publikum und Künstler_innen. Vor allem die Konzerte von Ace Tee, Schrottgrenze und Fehlfarben zogen ein zahlreiches Publikum in den Theaterpark. Der Auftritt von Fehlfarben brach sogar den bisherigen Besucher_innenrekord. Am Begleitprogramm – u.a. bestehend aus Kino, Konzerten, Podiumsdiskussionen, Ausstellung im Kunstverein Braunschweig und Vermittlungsformaten – nahmen rund 6000 Besucher_innen teil.

Die nächste Festivalausgabe findet vom 20. bis 30. Juni in Hannover statt.