Portrait of Myself as My Father


Nora Chipaumire . Harare . Simbabwe . New York City . USA

Schweißtreibende Auseinandersetzung mit Schwarzer Männlichkeit

Mit langen, elastischen Bändern aneinander gebunden stehen Vater und Tochter im Boxring. Sie bereiten sich auf den Kampf gegen einen Feind vor, der ihre Hautfarbe zum Anlass für Gewalt in allen Spielarten nimmt. Die rassistischen Stereotype, mit denen sie konfrontiert sind, schwingen sie wie Waffen: die Sexualisierung, das Animalische, die Eignung für den Hochleistungssport. Zum Schutz vor Angriffen tragen sie Schulterpads aus dem American Football und Laborbrillen, einen Holzpenis als Talisman und Unterwäsche mit Spikes. Gemeinsam mit ihren Tänzern bringt Nora Chipaumire ein explosives Gemisch aus vier Sprachen, Choreografie und Musik auf die Bühne. Unerbittlich nimmt sie koloniale und postkoloniale Strategien auseinander, zeigt, wie auf beiden Seiten der Konflikt von Generation zu Generation weitergegeben wird. Denn auch wenn bei allem Furor mitunter humorvolle Momente aufscheinen, bleibt doch eines klar: In diesem Gefecht kann keiner aus seiner Haut.
Gespräch nach der Vorstellung 11.06.

Vater-Tochter-Spezial: Beim gemeinsamen Besuch erhalten Väter und Töchter gegen Vorlage ihrer Theaterkarten am Infostand im Festivalzentrum jeweils einen Drink.

Nora Chipaumire auf tumblr

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Konzept . Choreografie . Regie Nora Chipaumire Originalmusik . Soundscore Philip White Mit Nora Chipaumire . Pape Ibrahima Ndiaye (Kaolack) . Shamar Watt Lichtdesign . Kostüme Nora Chipaumire Kreativmanagement Mathilde Walker- Billaud Technische Leitung . Stage Management Albin Chavignon Kommunikation Pia Monique Murray Tourmanagement MAPP International Productions


Cumberlandsche Bühne


10.06. - 11.06.20:00 Uhr

12.06.18:30 Uhr

EintrittVVK 18 Euro . AK 20 Euro
ErmäßigtVVK 9 Euro . AK 10 Euro
Einführung12.06. 18:00 Uhr . Cumberlandsche Galerie
Dauer1h20 . keine Pause
SpracheEnglisch, Französisch, Shona und Wolof

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Väter

spielen in den Stücken von Nora Chipaumire und Sacha Yanow eine große Rolle. Katherine Brewer Ball hat die in Brooklyn lebenden Künstlerinnen für die Theaterformen getroffen. 

In PORTRAIT OF MYSELF AS MY FATHER
treten die in Simbabwe aufgewachsene Nora Chipaumire,
der senegalesische Performer Pape Ibrahima Ndiaye (alias Kaolack) und der Tänzer Shamar Watt aus Jamaika in einem großen Boxring auf. Kaolack und Chipaumire sind mit schwarzen und weißen Nylonschnüren, Schleifen und Gummibändern verbunden. Chipaumire, den Rücken zu den Zuschauer_innen, tanzt, verlagert das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und skandiert die Zeilen „to free the African from the African, to liberate the African from the African. The African must be freed from his box, from his swagger.“ Währenddessen bewegt Watt die Halogenscheinwerfer, sodass Chipaumires Schatten auf der Leinwand im Hintergrund wächst. Englisch vermischt sich mit Französisch, Shona mit Wolof, und sie fragen: „Wie werde ich ein Schwarzer, afrikanischer Mann?“
„Ich stelle mir vor, wie mein Vater war und versuche, die Welt mit seinen Augen zu sehen“, erläutert Chipaumire. „Wenn ich mir anschaue, wie es um die Schwarze Männlichkeit steht, dann glaube ich, dass wir Helden brauchen, Superhelden.“ Für Chipaumire ist der Schwarze afrikanische Vater, den sie nie kennengelernt hat, ein Held im Boxring und sie modelliert ihn nach Vorbildern wie Joe Louis, Jack Johnson und Muhammad Ali oder Nelson Mandela, Patrice Lumumba und Steve Biko. Über die Kraft der Live-Perfor- mance sagt Chipaumire: „Die Zuschauer sollen während der Performance die rein physische Kraft, die von meiner Choreografie ausgeht, spüren und sie hoffentlich mit der eigenen Erfahrung verknüpfen. Das ist zumindest meine Absicht: Wie schaffe ich es, dass meine Performance nachhallt, dass auch über das Stück hinaus Geist und Körper im Zwiegespräch bleiben?“

In DAD BAND
beschwört Sacha Yanow die Gestalt ihres jüdischen, aus New York stammenden Vaters, der heute in Williamstown in Massachusetts lebt und als Archetypus für viele amerikanische Mittelklasse-Papas stehen könnte. „Ich habe eine ziemlich distanzierte Beziehung zu meinem Vater, jedenfalls war das in meiner Kindheit so. Für Dad Band habe ich also überlegt, wie ich ihn besser kennenlerne, wie ich eine Verbindung zu ihm herstelle. Zuerst habe ich mir jede Menge Dinge zusammengesucht – seine Kleider, seine Lieblings- hemden und -schuhe, seine Lieblingslieder und Agatha-Christie-Krimis. Und seine Gewohnheiten.“ In und zwischen den Dingen hat Yanow jene Version gesucht, die sie als den „dad inside“ bezeichnet. „Schon komisch, wie der Humor meines Vaters meinem eigenen lesbischen [Humor] ähnelt, dem der Lesben aus meinem Bekanntenkreis. Ich habe seine Sachen früher immer nach Flanellhemden durchwühlt. Etwas anderes hatte er nicht. Ich zog seine Jeans an, seine Hemden, irgendetwas daran gehört zu meinem Verständnis meines eigenen Geschlechts.” Wenn sie in die Rolle ihres „inneren Vaters“ eintaucht, singt Yanow die Lieblings-Papalieder, schlüpft in seine Karohemden und liest Zeitung. Sie zeichnet ein liebevolles und persönliches Bild jenes Vaters, an den sie sich erinnert und der ihr vielleicht nur deshalb so fern erschien, weil er eine über- definierte Rolle zu erfüllen hatte. Indem sie in eine hermetisch abgeschlossene, patriarchale Position hineinfindet, erweckt Yanow jene Versionen ihres Vaters zum Leben, die sie gleichzeitig liebt und ablehnt.

Der VATER
ist eine aufgeladene Figur, die sich mit der Geschichte des Westens und des Kolonialismus überschneidet. Indem sie ins Innere dieser Bildermaschine eindringen, setzen sich Chipaumire und Yanow emotional in Beziehung zu ihren Vätern, sie verkörpern sie so, wie sie vielleicht hätten sein können. Die Vaterfigur, der Name des Vaters wird gerade scharf genug, um erkennbar zu werden, auch wenn uns Nora Chipaumire daran erinnert, dass „nicht alles für jeden lesbar ist.“

Aus dem Englischen übersetzt von Bochert Translations (Henning Bochert).


Nora Chipaumire in Portrait of Myself as My Father. Foto: Gennadi Novas

Nora Chipaumire,
geboren in Mutare, Simbabwe, lebt in New York. Sie setzt sich in ihrer Arbeit mit afrikanischen Stereotypen und Schwarzer Performance und Ästhetik auseinander. Chipaumire ist Absolventin der University of Zimabwe’s School of Law und hat einen M.A. in Tanz und M.F.A in Choreografie & Performance. Sie studierte Tanz in Simbabwe, Kuba, Jamaika und den USA. Foto: Gennadi Novas 


Sacha Yanow spielt den eigenen Vater. Foto: Allison Michael Orenstein

Sacha Yanow,
geboren 1977, ist Künstlerin und Schauspielerin. Sie lebt und arbeitet in New York. Yanow machte einen Bachelor of Arts am Sarah Lawrence College in New York und ist Absolventin des William Esper Studio Actor Training-Programms. Wie in vorherigen Arbeiten untersucht sie in „Dad Band“ mit ihrem doppelbödigen Spiel und queeren Ausdrucksformen Geschlechterrollen und individuelle Geschlechtsidentitäten. Foto: Allison Michael Orenstein


Katherine Brewer Ball lebt in Brooklyn. Foto: Selfie

Katherine Brewer Ball
ist Visiting Assistant Professor für Performance Studies und African American Studies an der Wesleyan University, wo sie auch am Institute for Curatorial Practice in Performance lehrt. Aktuell arbeitet sie an einem Buchprojekt mit dem Titel „The Only Way Out Is In: The Black, Brown & Queer Performance of Escape“. Brewer Ball kuratiert Performance-und Kunstveranstaltungen wie den NYC Performance Salon und Adult Contemporary und schreibt Sachbücher. Foto: Katherine Brewer Ball