spielen in den Stücken von Nora Chipaumire und Sacha Yanow eine große
Rolle. Katherine Brewer Ball hat die in Brooklyn lebenden Künstlerinnen
für die Theaterformen getroffen.
In PORTRAIT OF MYSELF AS MY FATHER
treten die in Simbabwe
aufgewachsene Nora Chipaumire,
der senegalesische Performer Pape
Ibrahima Ndiaye (alias Kaolack) und der Tänzer Shamar Watt aus Jamaika
in einem großen Boxring auf. Kaolack und Chipaumire sind mit schwarzen
und weißen Nylonschnüren, Schleifen und Gummibändern verbunden.
Chipaumire, den Rücken zu den Zuschauer_innen, tanzt, verlagert das
Gewicht von einem Fuß auf den anderen und skandiert die Zeilen „to free
the African from the African, to liberate the African from the African.
The African must be freed from his box, from his swagger.“ Währenddessen
bewegt Watt die Halogenscheinwerfer, sodass Chipaumires Schatten auf
der Leinwand im Hintergrund wächst. Englisch vermischt sich mit
Französisch, Shona mit Wolof, und sie fragen: „Wie werde ich ein
Schwarzer, afrikanischer Mann?“
„Ich stelle mir vor, wie mein Vater
war und versuche, die Welt mit seinen Augen zu sehen“, erläutert
Chipaumire. „Wenn ich mir anschaue, wie es um die Schwarze Männlichkeit
steht, dann glaube ich, dass wir Helden brauchen, Superhelden.“ Für
Chipaumire ist der Schwarze afrikanische Vater, den sie nie
kennengelernt hat, ein Held im Boxring und sie modelliert ihn nach
Vorbildern wie Joe Louis, Jack Johnson und Muhammad Ali oder Nelson
Mandela, Patrice Lumumba und Steve Biko. Über die Kraft der Live-Perfor-
mance sagt Chipaumire: „Die Zuschauer sollen während der Performance
die rein physische Kraft, die von meiner Choreografie ausgeht, spüren
und sie hoffentlich mit der eigenen Erfahrung verknüpfen. Das ist
zumindest meine Absicht: Wie schaffe ich es, dass meine Performance
nachhallt, dass auch über das Stück hinaus Geist und Körper im
Zwiegespräch bleiben?“
In DAD BAND
beschwört Sacha Yanow die Gestalt ihres jüdischen, aus
New York stammenden Vaters, der heute in Williamstown in Massachusetts
lebt und als Archetypus für viele amerikanische Mittelklasse-Papas
stehen könnte. „Ich habe eine ziemlich distanzierte Beziehung zu meinem
Vater, jedenfalls war das in meiner Kindheit so. Für Dad Band habe
ich also überlegt, wie ich ihn besser kennenlerne, wie ich eine
Verbindung zu ihm herstelle. Zuerst habe ich mir jede Menge Dinge
zusammengesucht – seine Kleider, seine Lieblings- hemden und -schuhe,
seine Lieblingslieder und Agatha-Christie-Krimis. Und seine
Gewohnheiten.“ In und zwischen den Dingen hat Yanow jene Version
gesucht, die sie als den „dad inside“ bezeichnet. „Schon komisch, wie
der Humor meines Vaters meinem eigenen lesbischen [Humor] ähnelt, dem
der Lesben aus meinem Bekanntenkreis. Ich habe seine Sachen früher immer
nach Flanellhemden durchwühlt. Etwas anderes hatte er nicht. Ich zog
seine Jeans an, seine Hemden, irgendetwas daran gehört zu meinem
Verständnis meines eigenen Geschlechts.” Wenn sie in die Rolle ihres
„inneren Vaters“ eintaucht, singt Yanow die Lieblings-Papalieder,
schlüpft in seine Karohemden und liest Zeitung. Sie zeichnet ein
liebevolles und persönliches Bild jenes Vaters, an den sie sich erinnert
und der ihr vielleicht nur deshalb so fern erschien, weil er eine über-
definierte Rolle zu erfüllen hatte. Indem sie in eine hermetisch
abgeschlossene, patriarchale Position hineinfindet, erweckt Yanow jene
Versionen ihres Vaters zum Leben, die sie gleichzeitig liebt und
ablehnt.
Der VATER
ist eine aufgeladene Figur, die sich mit der Geschichte des
Westens und des Kolonialismus überschneidet. Indem sie ins Innere
dieser Bildermaschine eindringen, setzen sich Chipaumire und Yanow
emotional in Beziehung zu ihren Vätern, sie verkörpern sie so, wie sie
vielleicht hätten sein können. Die Vaterfigur, der Name des Vaters wird
gerade scharf genug, um erkennbar zu werden, auch wenn uns Nora
Chipaumire daran erinnert, dass „nicht alles für jeden lesbar ist.“
Aus dem Englischen übersetzt von Bochert Translations (Henning Bochert).
Nora Chipaumire,
geboren in Mutare, Simbabwe, lebt in New York. Sie
setzt sich in ihrer Arbeit mit afrikanischen Stereotypen und Schwarzer
Performance und Ästhetik auseinander. Chipaumire ist Absolventin der
University of Zimabwe’s School of Law und hat einen M.A. in Tanz und
M.F.A in Choreografie & Performance. Sie studierte Tanz in Simbabwe,
Kuba, Jamaika und den USA. Foto: Gennadi Novas
Sacha Yanow,
geboren 1977, ist Künstlerin und Schauspielerin. Sie
lebt und arbeitet in New York. Yanow machte einen Bachelor of Arts am
Sarah Lawrence College in New York und ist Absolventin des William Esper
Studio Actor Training-Programms. Wie in vorherigen Arbeiten untersucht
sie in „Dad Band“ mit ihrem doppelbödigen Spiel und queeren
Ausdrucksformen Geschlechterrollen und individuelle
Geschlechtsidentitäten. Foto: Allison Michael Orenstein
Katherine Brewer Ball
ist Visiting Assistant Professor für
Performance Studies und African American Studies an der Wesleyan
University, wo sie auch am Institute for Curatorial Practice in
Performance lehrt. Aktuell arbeitet sie an einem Buchprojekt mit dem
Titel „The Only Way Out Is In: The Black, Brown & Queer Performance
of Escape“. Brewer Ball kuratiert Performance-und Kunstveranstaltungen
wie den NYC Performance Salon und Adult Contemporary und schreibt
Sachbücher. Foto: Katherine Brewer Ball