20.06.2017

Nachlese: Pressestimmen zum Festival

Hannoversche Allgemeine Zeitung, 19. Juni 2017
Wie viele vorherige Ausgaben des Festivals bot auch dieser Jahrgang spannendes, herausforderndes Theater aus aller Welt. Die Zuschauer, die sich auf das Abenteuer Theaterformen eingelassen haben, wurden in allerlei fremde Welten entführt – sei es in Ruinen oder in ein Bordell.

taz.die tageszeitung, 16. Juni 2017
[...] Es folgt eine Rückkehr zum Furor des Empörungstheaters, allerdings höchst reflektiert: „Mare nostrum“. Die mexikanische Regisseurin Laura Uribe verbindet mit kolumbianischen Performern die Binnenmigration in ihrem Land – Menschen flüchten vor rechtem, linkem, kapitalistischem und Drogenkriegsterror – mit den Kontinente verbindenden Bewegungen am Mittelmeer. Zeigt Bilder, Filme, lässt referieren und die Darsteller ihre Biografie erzählen. Mischt arg textlastig Lecture Performance mit Dokumentartheater, garniert mit Mitklatschmusik, Tanzeinlagen und Live-Verkauf fair gehandelten kolumbianischen Kaffees. Immer wieder hält die Show im Nachdenken darüber inne, wie die Problematik bühnenwirksam darzustellen sei. Sie verhehlt nicht den wütenden Idealismus der Künstler. In seiner Vielstimmigkeit und ästhetischen Vielfalt eine geradezu vorbildlich offene Dramaturgie – so könnte es gehen: diskursives Theater, heute.

Der Tagesspiegel, 16. Juni 2017
Eine der verheißungsvollsten Arbeiten dieses Jahrgangs heißt „Mare Nostrum“, stammt von Laura Uribe und ist eine mexikanisch-kolumbianische Koproduktion. Uribe durchleuchtet Flucht als globale und südamerikanische Bewegung – in einem Mix aus Dokumentartheater, Videospektakel und Satire.

Hannoversche Allgemeine Zeitung, 16. Juni 2017
„Dein Wort in meinem Mund“ ist ein Theaterstück ohne abgegrenzte Bühne, ohne Schminke und ohne Schauspieler. Trotzdem zielt es tief ins Herz des Theaters. Theater ist schließlich die große Kunst der Empathie. Wer einen anderen spielt, scheint sich auch ein bisschen in ihn zu verwandeln. Theaterkunst ist Annäherung an das Fremde, Rollenspiel ist immer auch die Einnahme der Perspektive des anderen. Das Künstlertrio, das während der Vorstellung nicht in Erscheinung tritt, nutzt unsere Fähigkeit zur Empathie für ein wunderbares Kammerspiel.

Süddeutsche Zeitung, 15. Juni 2017
[...] Die simbabwische Choreografin Nora Chipaumire macht es ihrem Publikum nicht leicht. "Portrait of Myself as My Father" heißt ihr Stück, das sie beim Festival Theaterformen in Hannover zeigt. Wobei das Wort "father" durchgestrichen ist, als markiere es eine Leerstelle. [...] Für Nora Chipaumire, die inzwischen in New York lebt, aber nach wie vor in Simbabwe arbeitet, ist es das erste Gastspiel in Deutschland. Entdeckungen wie diese sind die Spezialität der Theaterformen, die im jährlichen Wechsel in Hannover und Braunschweig stattfinden. Die Leiterin Martine Dennewald interessiert sich mehr für neue Perspektiven als für große Namen. Das Festival strahlt eine lässige Internationalität aus, die im deutschsprachigen Theaterbetrieb nicht selbstverständlich ist. Dennewald spricht sieben Sprachen und erzählt den Zuschauern vor vielen Vorstellungen persönlich, warum sie ein Stück ausgewählt hat. Gebloggt wird auf Arabisch, Englisch, Deutsch, Persisch und dem in Eritrea und Äthiopien gesprochenen Tigrinya. Und man kann sich mit verschlossenen Augen von syrischen Studenten oder afghanischen Fotografen durch Hannover führen lassen - eine wunderbare Entspannungsübung, die nebenbei den Fremden zum Fremdenführer macht.

Es ist diesmal ein Festival der Frauen. Die 15 eingeladenen Produktionen stammen von Regisseurinnen oder von Kollektiven mit großem Frauenanteil - eine Reaktion darauf, dass Theater und Festivals nach wie vor von Männern dominiert werden. Sucht man nach einer "weiblichen" Ästhetik, muss man sich gleich selbst korrigieren. Schließlich würde kein Mensch nach einer männlichen Ästhetik fragen. 

NDR.DE, 14. Juni 2017
Theater ist mehr als Theater: Es ist Selbsterfahrung, Tanz und Weiterbildung. Diesen Eindruck jedenfalls erhält, wer sich dieser Tage die Aufführungen des Festivals für innovative Theaterkunst, Theaterformen in Hannover ansieht.

Hannoversche Allgemeine Zeitung, 13. Juni 2017
„Walk, Hands, Eyes“ von Myriam Lefkowitz wird seit 2010 aufgeführt, die Performance war bereits in vielen anderen Städten zu sehen. Die Führer, die die Gäste an die Hand nehmen, sind in der Regel ausgebildete Tänzer und Performer. In Hannover hat die Theatermacherin das Personal ausgeweitet. Hier begleiten auch Flüchtlinge die Menschen durch ihre Stadt. Es ist eine wunderbare Umkehr der Verhältnisse, wie sie so vielleicht nur in der Kunst gelingt: Diejenigen, denen sonst alles erklärt und gezeigt wird, präsentieren jetzt den Gästen ihr Bild der Stadt.

Neue Presse, 12. Juni 2017
Die Berliner Gruppe She She Pop dekliniert in „Oratorium“ mit hannoverschen Akteuren und den Besuchern das Wesen des Eigentums durch, von Selbstverwirklichung und Gemeinschaft. [...] Der Chor der Theaterwissenschaftler hat im Stück gefragt nach dem „Theaterereignis, das über sich hinausweist“. In dieser Kooperation mit der Schau „Made in Germany Drei“ ist es durchaus zu finden. 

nachtkritk.de, 10. Juni 2017
„Portrait of myself as my father" beeindruckt als intensive, laute, streckenweise anarchische Inszenierung, voller Energie und Schweiß, der allen Performern von den Körpern, den Haaren und den Bärten tropft. Und die, trotz des bitteren Nachgeschmacks, auf mehreren Ebenen, einen ganz gehörigen Wumms entwickelt.

Hannoversche Allgemeine Zeitung, 9. Juni 2017
Ein wesentlicher Beitrag zum Thema Neue Rechte ist „Tristesses“ trotz der populistischen Politikerin im Zentrum nicht. Aber ein schöner Beitrag zur Tragödientheorie ist das Stück durchaus – und ein gelungener Auftakt eines Festivals, das auf die Frage nach der Formenvielfalt des Theaters immer wieder ganz erstaunliche Antworten findet.

Neue Presse, 9. Juni 2017
Unter Girlanden im Rot-Weiß der Theaterformen spielen The Hidden Cameras aus Kanada, Ikonen der internationalen Gay- und Camp-Culture, ihre so seltsame wie betörende Mischung aus Elektropop und Country, Tears for Fears und Kenny Loggins. Dazu tanzen hannoversche Festivalgänger und internationale Theatermacher, Delegationen aus Nigeria und Japan. Weltläufigkeit kann man manchmal auch einfach nur leben – am besten an jedem weiteren Abend der Theaterformen und darüber hinaus.